Die heilige und gerechte Fürstin Sophia von Sluzk stammte aus dem vornehmen Geschlecht der Olelkowitschi, die in einer der ältesten Städte Nordwestrusslands, der Stadt Sluzk, herrschten. In den Chroniken wird Sluzk erstmals 1116 erwähnt, als es zum Herrschaftsgebiet des Kiewer Großfürsten Wladimir Monomach gehörte. Um das Jahr 1270 gelangte die Stadt unter den Einfluss der litauischen Fürsten. Im Jahre 1395 bildete sich eine eigene neue Herrschaftsdynastie heraus, an deren Anfang der Enkel des Großfürsten Olgerd Alexander Wladislawowitsch steht. Unter seiner Leitung wurde die Stadt erneuert und befestigt und sie galt im 15. Jahrhundert als eine der wichtigsten Städte Litauens. Viele Male belagerten die Tataren die Stadt, konnten aber niemals die Furcht einflößende Festung einnehmen.
Das Geschlecht der Olelkowitschi brachte viele fromme Christen hervor, die der orthodoxen Kirche treu blieben. Der Großvater der Hl. Sophia, Jurij Jurjewitsch, war ein großer Bewunderer orthodoxer Heiligtümer. Er wurde bekannt für sein eigenhändig geschriebenes Evangelium, das dem Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit in Sluzk gespendet wurde. Darüber hinaus sind Urkunden von Fürst Jurij und seiner Frau Ekaterina über Kirchen und Klöster in Sluzk erhalten geblieben. In seinem geistlichen Testament ermahnte der Fürst seine Söhne, sich wie er um das Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit zu kümmern, die dem Kloster gewährten Spenden und Privilegien nicht wegzunehmen und fest an der Orthodoxie festzuhalten.
Der Vater der Heiligen Sophia, Jurij Jurjewitsch II., war der einzige der drei Söhne, der die Gebote seiner Eltern erfüllte. Seine jüngeren Brüder konvertierten zum Katholizismus, und aufgrund der Gewalt der Katholiken gegenüber der Orthodoxie im polnisch-litauischen Staat wurde ein solcher Verrat damals eher die Regel als die Ausnahme. Trotz der Unterdrückung aufgrund der Loyalität gegenüber der orthodoxen Kirche hielt Jurij Jurjewitsch fest am Glauben der Väter und den Bräuchen seiner Vorfahren fest. Wie sein Vater war er ein großzügiger Spender für Kirchen und Klöster: Bekannt ist ein von ihm gestifteter Abtsstab aus Silberguss für die Verkündigungskirche im Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit.
Jurij Jurjewitsch war mit Ekaterina aus dem Geschlecht der Kischek verheiratet; Aus dieser Ehe, die weniger als ein Jahr dauerte, ging am 1. Mai 1585 ihre einzige Tochter, die letzte der Familie Olelkowitschi, hervor. Die künftige Weisheit der Fürstin von Sluzk und ihre Sorge um die verfolgte Orthodoxie vorausahnend, erhielt die Prinzessin in der Heiligen Taufe den Namen Sophia, dies bedeutet auf Griechisch Weisheit.
Bald nach der Geburt starb die Mutter und ein Jahr später, am 6. Mai 1586, starb auch ihr Vater. Der Stamm der glorreichen Fürsten von Slutsk und Kopylskij endete mit Sophia, die in ihrer Wiege verwaist war.
Die Vormundschaft für das einjährige Mädchen übernahm die Familie Chodkewitsch, ihre Verwandten: zuerst der Bürgermeister von Schmud, Jurij Chodkewitsch, der sie nach Wilna brachte, und dann der Wilnaer Kastellan, der Bürgermeister von Brest, Hieronimos Chodkewitsch.
Bei der Sorge um die letzte Sluzker Prinzessin verfolgten ihre Gönner, die Familie Chodkewitsch, durchaus ihre eigenen Interessen. Da beide Vormunde Schuldner beim Wilnaer Großfürst Radziwilla waren, schlossen sie mit ihm einen Ehevertrag für ihr Mündel ab, indem sie den Radziwillas das überaus reiche Erbe nebst dem Fürstensitz Sluzk zur Mitgift versprachen. Fürst Janusch Radziwilla und die junge, erst elfjährige Prinzessin Sofia sahen sich erstmals im Hause der Chodkewitsch in Wilna. Der Hochzeitstermin war im Vertrag bereits festgelegt worden.
Doch kurz vor diesem Termin verschärften sich erneut die Streitigkeiten zwischen den beiden Familien. Das junge Paar durfte sich nicht mehr sehen. Die Angelegenheit kam vor Gericht und die Chodkewitschs wurden verurteilt. Nun wurde sogar zu den Waffen gerufen und das Haus in Wilna wurde massiv befestigt. Die junge Braut, die unfreiwillig zum Grund dieser blutigen Fehde geworden war, betete ununterbrochen um deren Beendigung. Schließlich schickten sogar der König und ein katholischer Kirchenoberer Abgesandte, um den lodernden Streit zu beenden und eine kriegerische Auseinandersetzung abzuwenden, Letztlich gelang es, eine neue Vereinbarung zu treffen. Ein neuer Hochzeitstermin wurde festgelegt, der 1. Oktober. Die junge Braut legte all ihre Hoffnung auf die Allheilige Gottesmutter, in deren Hände Sofia ihr Schicksal legte.
Kurz vor der Hochzeit tauchte jedoch ein weiteres Problem auf: Die Vormunde fragten die Braut nicht, ob sie bereit sei, ihr Glaubensbekenntnis für die Ehe mit dem katholischen Fürsten von Neswisch zu ändern.
Der orthodoxe Glaube war ihr sehr teuer als geistliches Erbe ihres Vaters und sie weigerte sich entschieden, in die katholische Kirche überzutreten. Des weiteren bestand sie darauf, dass die gemeinsamen Kinder in der orthodoxen Kirche getauft und in diesem Sinne erzogen werden. Nur unter diesen Bedingungen war die vierzehnjährige Fürstin bereit, in die Ehe einzuwilligen.
Die Eheschließung wurde im orthodoxen Ritus in einer der orthodoxen Kirchen in Brest mit dem Segen des Papstes von Rom und des Patriarchen von Konstantinopel vorgenommen.
Das Leben als Waise bei den Chodkewitschs war schwierig, aber auch das Eheleben war für sie nicht nur süß. In all ihren Sorgen fand Fürstin Sophia allein im Gebet, in der Kirche Trost. Aber dann kam ein Schmerz, der alle persönlichen Sorgen überschattete: die Kirchenunion mit Rom, die 1596 in den westrussischen Ländern erklärt wurde.
Die Einführung der Union wurde von entsetzlicher Gewalt gegen die Orthodoxen begleitet. Kirchen und Klöster wurden ihnen weggenommen, orthodoxe Priester wurden vertrieben. Kirchen wurden an Nichtchristen vermietet, die für jeden Gottesdienst eine Bezahlung verlangten. Daraufhin wurden alle öffentlichen Versammlungen der Orthodoxen verboten. „Der Dissidentenklerus“, wie orthodoxe Priester damals genannt wurden, sollte offensichtlich nicht mit den Heiligen Gaben durch die Straßen gehen. Taufe, Hochzeit, Beerdigung durften nur mit Zustimmung des katholischen Priesters gegen eine von diesem festgelegte Gebühr durchgeführt werden. Orthodoxe Menschen wurden nachts begraben. Kinder aus Mischehen galten als Mitglieder der katholischen Kirche. Den Orthodoxen war es untersagt, öffentliche Ämter zu bekleiden, Versammlungen einzuberufen oder Schutz zu erbitten unter der Androhung, die Gesetze gegen Aufständische anzuwenden.
Mit gebrochenem Herzen für den mit Füßen getretenen Glauben ihrer Vorfahren wurde die junge Fürstin zur Verteidigerin der orthodoxen Heiligtümer und des orthodoxen Volkes vor der Gewalt der Unierten. Sie machte aus Sluzk, das ihr gehörte, eine Hochburg der Orthodoxie – eine der wenigen und bald die einzige in der ganzen Region.
Die Einwohner von Sluzk vereinten sich in der Bruderschaft von der Verklärung Christi, an der Fürstin Sophia aktiv teilnahm. Sie überredete ihren Mann, den polnischen König um eine königliche Urkunde zu bitten, die in ihrem Besitztum verbot, Orthodoxen mit Gewalt zur Union zu zwingen.
Die Urkunde wurde ausgestellt und so verteidigte die Fürstin die Interessen der Orthodoxie mit rechtlichen Mitteln. Neben dem Rechtsschutz kümmerte sich die hl. Sophia um die Versorgung von Klöstern, Kirchen und Geistlichen, spendete großzügig für den Bau von Kirchen, nähte und bestickte Kirchengewänder und priesterliche Gewänder mit Gold, pilgerte aus Anlass ihrer Altarfeste zu fernen Kirchen.
Der Einfluss der Fürstin war so groß, dass sogar ihr Ehemann später nach ihrem Tod mit seinen Urkunden bestätigte, dass die orthodoxen Kirchen, die einst von Fürstin Sophia unterstützt wurden, die Freiheit ihrer Kulte und die Kirchenregeln gemäß der orthodoxen Ostkirche bewahren sollten …
Die heilige Sophia starb im Alter von 26 Jahren am 19. März 1612 bei der Geburt einer Tochter, die ihre Mutter ebenfalls nicht überlebte. In Erinnerung an das rechtschaffene Leben und die Wohltaten der Fürstin wurde sie im Kloster der Heiligen Dreifaltigkeit in Sluzk begraben. Der Herr verherrlichte die heilige Prinzessin Sophia mit der Unversehrtheit ihrer Gebeine und Wundertaten an ihrem Grab.
Nach der Oktoberrevolution wurden die Reliquien der Hl. Sophia aus dem Kloster entfernt und ein Minsker Museum gebracht, wo sie bis zum Beginn neuer Zeiten verblieben.
Die Reliquien der Heiligen Gerechten Sophia, Fürstin von Sluzk, ruhen jetzt in der Heilig-Geist-Kathedrale in der Stadt Minsk in der Nähe der nördlichen Kapelle zu Ehren der wundertätigen Minsker Gottesmutter-Ikone.