Leben und Dienst zwischen zwei Revolutionen. Teil 3

23. Juni 2022

zwei revolutionen

Die von der neuen Regierung ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen gegenüber der "ehemalige" Großfürstin Elisabeth Fjodorowna waren kein besonderer Gunsterweis. Bereits in den ersten Märztagen wurde eine Regierungskampagne gegen das Haus der Romanows gestartet. So wurde das Zarenwappen von Schildern entfernt, Porträts wurden abgehängt. Dies betraf nicht nur das Bild Nikolaus II., sondern auch die der anderen Mitglieder der Zarenfamilie. Die Beseitigung der monarchistischen Symbole wurde von der Entfernung der Vertreter des Hauses Romanow von der Verwaltung gesellschaftlicher Organisationen und der Umbenennung jener Institutionen, die die Namen hochgestellter Personen trugen. Das Damoklesschwert hing in Moskau hauptsächlich über den Institutionen von Elisabeth Fjodorowna. Reorganisation des von ihr geschaffenen Systems karitativer Einrichtungen wurde zu einer der ersten "revolutionären" Angelegenheiten des Exekutivkomitees der gesellschaftlichen Organisationen.

Die neue Regierung interessierte sich besonders für das Komitee von Großfürstin Elisabeth Fjodorowna, das den Familien der zum Kriegsdienst einberufenen Personen wohltätige Hilfe leistete. Zunächst erlaubte sie dem Komitee, seine Tätigkeit fortzusetzen.Vom Vorsitzenden des Ministerrates, Fürst G. E. Lwow, ging ein Telegramm ein: „Ich bitte den Ausschuss, seine Arbeit ohne Unterbrechung fortzusetzen“. Allerdings nach ein paar Tagen berichtet der Kommissar der Provisorischen Regierung in Moskau N. M. Kischkin während seines ersten Berichts an G. E. Lwow bereits über die bevorstehende Reorganisation der Institutionen der "ehemaligen" Großfürstin Elisabeth Fjodorowna. Er stellte ein Projekt vor, mit der Absicht sie in zwei Gruppen zu unterteilen: „Die erste, die sich mit der Hilfe für kriegsversehrte Soldaten befasst, wurde vorgeschlagen, den städtischen Vereinigungen beizutreten.

Der zweite (zu ihm gehört auch der oben genannte Ausschuss. - E.K.) wurde neu organisiert, um den Soldatenfamilien effektiver helfen zu können und sollte mit der städtischen Selbstverwaltung zusammen arbeiten.“

Bevor er nach Petrograd fuhr, ergriff N. M. Kischkin Maßnahmen, um Elisabeth Fjodorowna aus der Führung ihrer Wohlfahrtsorganisationen zu entfernen. Laut eines Befehls von Kischkin wurde am 10. März die Leitung aller Institutionen, die vorher der Großfürstin unterstanden, dem neu ernannten Kommissar V. N. Grigoriew unterstellt. Unter dessen Vorsitz fand am 15. März ein Treffen von Vertretern der großfürstlichen Wohlfahrtsorganisationen statt, bei dem auch über das Schicksal ihrer Organisationen entschieden wurde. Diejenigen, die nicht über ausreichend finanzielle Mittel für ihren Selbsterhalt verfügten, wurde vorgeschrieben, sich mit ähnlichen Organisationen zu vereinen. Institutionen, die die Möglichkeit hatten, ohne fremde Unterstützung zu existieren, konnten ihre Tätigkeit fortsetzen. Es ist nicht bekannt, ob die Großfürstin persönlich an diesem Treffen teilgenommen hat, doch seine Entscheidungen "im Hinblick auf die sich etablierten Umstände" erkannte sie als " in vollem Maße zweckdienlich, zum Nutzen für die Angelegenheit und wünschenswert, diese ins Leben umzusetzen“. Dabei erlaubte sie, dass die Institutionen, ihren Namen aus ihren Bezeichnungen zu streichen. Das Schicksal von Elisabeths Mädchengymnasium wurde bereits vor der Mitgliederversammlung beschlossen. Am Vortag, am 14. März, wurde auf einer Sitzung des Rates des Gymnasiums bekannt gegeben, dass per Beschluss der neuen Regierung das Gymnasium der Abteilung des Ministeriums für Volksbildung übertragen wird.

So wurde die Großfürstin am 15. März 1917 von der Leitung aller ihrer sozial - karitativen Organisationen entbunden, mit Ausnahme des Martha-Maria-Klosters der Barmherzigkeit, das noch verteidigt werden konnte.

In Bezug auf die Erhaltung des Klosters konnte Elisabeth Fjodorowna nicht auf die offene Unterstützung durch die Russisch-Orthodoxe Kirche zählen. Erstens spiegelten sich auch hier revolutionäre Stimmungen wider und zweitens erkannte der Heilige Synod die Provisorische Regierung an. Garantien dafür, dass die Kirchenführung unter den Bedingungen dieser Zeit für die Vertreter der Dynastie eintritt, konnte niemand geben.

Elisabeth Fjodorowna kam nicht umhin, sich Sorgen über die Erklärung der Provisorischen Regierung zu machen, nach den Verantwortlichen für das militärische Versagen zu suchen. Bereits am 4. März wurde eine außerordentliche Untersuchungskommission eingesetzt, um gesetzwidrige Amtshandlungen ehemaliger Minister, Vorstandsvorsitzenden und anderen hochrangige Beamte der staatlichen, militärischen und Marineabteilungen zu untersuchen. In dem Band „Nikolaj und Alexandra: Liebe und Leben” wurde Material unter dem Titel „Ella (Großfürstin Elisabeth Fjodorowna - E.K.) veröffentlicht. Dort wurde unter anderem ein Verhörprotokoll mit dem ehemaligen Chef der Polizei General E. K. Klimowitsch vom 19. März 1917 dokumentiert, indem ersichtlich wird, dass man auch nach den Beziehungen zur Großfürstin forschte: wie oft sie sich trafen, die Art ihrer Beziehungen, worüber sie miteinander sprachen, insbesondere ob sie über Staatsangelegenheiten gesprochen haben.

Entsprechend traf Elisabeth Fjodorowa die Entscheidung, ein Telegramm mit einer Loyalitätserklärung gegenüber der Provisorischen Regierung zu senden, vor dem Hintergrund eines wachsenden revolutionären Radikalismus, der Anerkennung der Provisorischen Regierung durch die Kirche, die Ächtung der Mitglieder der Zarenfamilie, die Suche nach Schuldigen für die militärischen Misserfolge, die Versuche, die Großfürstin selbst zu verhaften und die Aufstellung einer Wache vor den Toren des Martha-Maria-Klosters sowie die Quasi-Beschlagnahme und Niederlegung aller Ämter in den von ihr geschaffenen Organisationen, mit anderen Worten, die Zerstörung ihres gesamten Lebenswerkes.

Laut der Zeitung “Russland am Morgen” vom 18. März 1917 schickte die Großfürstin nach Verhandlungen mit dem Kommissar der Provisorischen Regierung in Moskau N. M. Kischkin ein Telegramm ( Wir erinnern Sie daran, dass die Großfürstin auf seine Initiative hin von der Führung ihrer ohltätigkeitsorganisationen entfernt wurden war!). Die Zeitung berichtete, dass „N. M. Kischkin der Großfürstin empfahl, sich direkt an das Oberhaupt der neuen Regierung zu wenden und auf diesem Wege ihre Haltung zur gegenwärtigen politischen Ordnung darzulegen." Elisabeth Fjodorowa ihrerseits bat darum, ihr zu erlauben, „wenn es von der Regierung gewünscht wird, mit ihren karitativen Aktivitäten in Moskau fortzufahren”. Mit anderen Worten, die öffentliche Loyalitätserklärung gegenüber der Provisorischen Regierung war im Wesentlichen ein Schritt, um von den Behörden die Erlaubnis zur Fortsetzung karitativer Aktivitäten zu erhalten. Eine Bestätigung dieser Schlussfolgerungen ist der Brief von Prinzessin Victoria von Battenberg an Nona Kerr vom 24. März/6. April 1917, in dem sie schreibt, dass die Zeitungen zusammen mit der Anerkennung der Provisorischen Regierung durch die Großfürstin Informationen enthalten über ihre Bitte, ihr zu erlauben " weiterhin ihre Schwesterngemeinschaft (gemeint ist das Martha-Maria-Kloster der Barmherzigkeit - E.K.) zu leiten“.

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