Ostern, das heißt Sterben und Auferstehen

28. April 2022

Ikone der Auferstehung Christi

Ikone der Auferstehung Christi

Ostern, als Fest der Auferstehung, als die Feier des Neuen Lebens, nimmt in meiner Biographie einen zentralen Platz ein. Unser Erzbischof Feofan von Berlin und Deutschland würdigte dies durch seine Namenswahl bei meiner Einkleidung als Rasophorennonne - Anastasia, die Auferstandene.

Von alters her war Ostern der Tauftermin schlechthin. Und nichts ist eindrücklicher als die Taufe bewusst in der Osternacht mitzuerleben. Jeder Sonntag ist seit diesem Geschehen eine kleine Erinnerung daran und seit 40 Jahren ist das Osterfest die ständige Wiederkehr des Taufgedächtnisses, das Wiedergeboren werden in Gott. Über ein halbes Jahr dauerte die intensive Vorbereitung auf die Taufe in einer Katechumenengruppe von fünf jungen Studenten, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen zu diesem Schritt, sich taufen zu lassen, entschlossen hatten. Viele, unzählig viele Fragen wurden gestellt und beantwortet, in der Diskussion tauchten immer neue Fragen auf. Es gab hitzige Debatten und es blieben Fragen offen. Nicht alles kann oder muss beantwortet werden.

Im Mittelpunkt der Betrachtungen standen die Heilige Schrift, die Liturgie, das Gebet und unsere Gottesbeziehung. Auch hier waren wir selten einer Meinung oder hatten gleiche Erfahrungen gesammelt. So spiegelte sich in unserer Vielfalt und Unterschiedlichkeit die Unbegrenztheit und der Reichtum Gottes wider. Eine andere wichtige Erfahrung war das ehrliche Bekenntnis einer Kommilitonin, dass sie zur Taufe noch nicht bereit wäre. Der Empfang der Taufe war und ist ein Gnadengeschenk. So wie Er sich mir geoffenbart hatte, als jenes Überzeugtsein von Seiner Existenz in der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und von Seinem Mit - uns - sein alle Tage unseres Lebens. „Christus lebt und mit Ihm auch ich!“ wurde mir sozusagen ins Herz geprägt. Doch davon verstand ich damals noch sehr wenig.

Die Ostertage selbst verbrachten wir in einem Kloster mit Gästehaus in einer ca. zwanzigköpfigen Studentengruppe mit unserem Studentenpfarrer und einigen Nonnen. Der Große und Heilige Donnerstag führte uns in das Geschehen ein: das Letzte Abendmahl Christi mit der Fusswaschung. Die Hingabe Christi in Leib und Blut bei der Einsetzung der Heiligen Mysterien und dazu die dienende, sich zutiefst demütigende Liebe als Ausdruck Seiner Selbstentäußerung. Am Großen Freitag hielten wir das strenge Fasten ein und auch das Schweigen wurde gewahrt. Meistens!

Eine wahre Bußübung für junge Leute, vor allem die weibliche Studentenschaft tat sich schwer. Der Höhepunkt an diesem Tag ist die Verehrung des Kreuzes, die Sterbestunde und der Grablegungsritus. Mit Ihm sterben! Ich versuche seither, mir stets jenen Gedanken ins Herz zurück zu holen, dass Christus für meine Sünden gestorben und durch den Tod am Kreuz mich von ihnen erlöst hat. Der Samstag war der Tag emsigen Treibens, der letzten Vorbereitung auf die Osternacht und die Tauffeier. Trotz aller Geschäftigkeit war es ein stiller, gerade zu besinnlicher Tag. Die Osternacht begann mit einem Osterfeier, dem Entzünden der Osterkerze und dem Gesang des Exsultet - Hymnus. Die Tauffeier war in die Osternacht integriert. Die vielen alttestamentlichen Lesungen, die ich im Vorfeld natürlich eingehend studiert hatte, drangen nun in mein Herz. Und es war nicht mehr das Volk Israel, das vierzig Jahre lang durch die Wüste zog, sondern ich fühlte, dass das Alte Testament zu meiner eigenen Geschichte geworden war. Der ständige Wechsel zwischen der Erkenntnis des lebendigen Gottes in meinem Leben, dem festen und unerschütterlichen Glauben an Ihm und dem Abfall, der Abkehr von Ihm, den Zweifeln und der scheinbaren Gottesferne. Der alte Mensch, der sündige Nachkomme Adams, war auch nach der Taufe nicht sofort und vollständig gestorben, sondern wieder und wieder erhebt er sich, um mich hinunterzuziehen in sein Milieu, in die ichbezogene Selbstvergötterung.

In der Taufe selbst vollzog sich nun das Sterben für die Sünde und das Wiedergeboren sein zum neuen und ewigen Leben. Die Reinheit der Seele symbolisierte die weiße Farbe der Taufkleider. Alles war neu!

Krokuswiesen im Erzgebirge

Krokuswiesen im Erzgebirge

Auch diese Erfahrungen kann ich sehr eindrücklich schildern. Denn als wir uns am späten Vormittag von einem kurzen Schlummer erhoben, erstrahlte alles in leuchtendem Weiß. Es hatte geschneit. Die Sonne schien hell und warm und leuchtend an einem azurblauen, klaren Himmel. Ihre Strahlen leckten den Schnee schnell wieder weg und gaben eine sattgrüne Wiese mit gelben, weißen, violetten Tupfen frei. Krokusse in verschiedenen Farben, einige Märzenbecher und die ersten Narzissen waren zum Leben erwacht. Die Luft war kühl und rein, wie gewaschen. Das fröhliche Vogelgezwitscher, das sich erhob, füllte die um das Kloster herum herrschende Stille. Und ich spürte in meinem Herzen eine stille Freude und tiefe, tiefe Dankbarkeit. Ein paradiesischer Moment - das Gefühl von Harmonie, Schönheit, Wahrheit, Vollkommenheit - mit Gott eins sein, wenn auch nur für einen Moment.

Doch bald kehrte ich wie auch meine Kommilitonen in den Alltag zurück und das wogende Meer des Lebens schüttelte mich ordentlich hin und her. Es begann der Weg durch die Wüste und ich mußte lernen, nach dem Fallen, dem Sterben im Kleinen wieder Aufzustehen.

Gott ist geduldig, Er erwartet nicht wie wir augenblickliche Resultate, schnelle Veränderungen. Er schenkt uns die Freiheit zu reifen, zu wachsen in der Erkenntnis Seiner Liebe. Ich mußte und muß lernen zu vertrauen, zu hoffen und zu lieben. Noch bin ich auf dem Weg hin ins Gelobte Land, unterwegs hoffend und suchend nach „paradiesischen Momenten“.

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