4. Fastensonntag

30 März 2025

Bischof Mitrofan Snosko-Borowskij

Ihr Lieben, heute, am 4. Fastensonntag, gedenkt die Heilige Kirche des Ehrwürdigen Johannes “von der Leiter” (gr. Klimakos), der mit 16 Jahren ins Kloster auf dem Berg Sinai eintrat. Seine Zeitgenossen sagten über ihn, dass Johannes bereits „den vollkommenen Geist eines tausendjährigen Greises” besaß. Am Tag seines Gedächtnisses werden in der Evangeliumslesung die Seligpreisungen vorgelesen. Mit den Worten der heiligen Kirchenväter werde ich euch von diesen gnadenreichen Geboten aus dem Evangelium erzählen, die der Herr auf einem Berg in Galiläa verkündet hat.

„Denkt nicht, dass ich gekommen bin, um das Gesetz oder die Propheten aufzuheben; ich bin nicht gekommen, aufzuheben, sondern zu erfüllen“, sagt der Herr. Wenn wir die mosaischen Gesetze mit den Geboten des Evangeliums vergleichen, finden wir einen bedeutenden Unterschied zwischen den beiden. Erinnern wir uns, dass die Bibel erzählt, wie das harte mosaische Gesetz inmitten von Donner und Blitz verkündet wurde, mit einer Trompete, die bedrohlich blies. Aber die gnadenreichen Gebote des Evangeliums wurden der Welt an einem Frühlingstag verkündet, mit einer ruhigen, kühlen Brise vom See Genezareth, am Hang eines Berges, der mit Grün und Blumen bedeckt war. Dort, im Alten Testament, zogen dunkle, bedrohliche Wolken über den Gipfel des Sinai, und die Stimme des unsichtbaren Gottes versetzte die Herzen der Kinder Israels in Schrecken. Hier aber wurden die Worte des ewigen Lebens von den reinen Lippen des sanftmütigen und demütigen Herrn Jesus Christus verkündet. Dort, im Alten Testament, wagte sich niemand unter Todesgefahr an den Berg heran, aber hier drängten sich die Menschen um Christus und versuchten, so nahe wie möglich heranzukommen, um das Gewand des liebenden Gesetzgebers zu berühren, der Frieden und Heilung ausstrahlte. Im Neuen Testament schränkt der himmlische Meister die Freiheit derer, die zu ihm kommen, nicht mit strengen Befehlen ein, noch schüchtert er sie mit Drohungen ein, sondern er weist nur auf das hin, was alle Menschen suchen, wonach jeder Mensch strebt; er spricht vom Glück, von der Seligkeit, und zeigt den Weg zu dieser Seligkeit. Er befiehlt nicht, sondern veranlasst sie nur als liebender Vater durch sein ruhiges, liebevolles Wort, sie zu erfüllen: Selig, glücklich sind, sagt Christus, die Frieden im Gewissen, die Güte und Freude im Herzen und die Gewissheit eines zukünftigen Lebens in Seligkeit haben.

Hl. Johannes “von der Leiter”

Am Sinai war dieses Gesetz ein Gesetz strenger richterlicher Gerechtigkeit. Das Gesetz des Evangeliums ist das Gesetz der Liebe; es verbindet die Wahrheit, die Gerechtigkeit des Alten Testaments, mit der Gnade des Neuen. Im Gesetz des Evangeliums sind, wie der Psalmist David sagt, „Gerechtigkeit und Friede küssen sich“. Und wenn das alte Gesetz sagt: „Du sollst nichts Böses tun“, so sagt das neue Gesetz: „Du sollst nichts Böses denken und nicht zulassen, dass ein solcher Gedanke in dein Herz kommt.“ Das neue Gesetz vertreibt also die Wurzeln des Bösen aus dem Herzen.

Die Gebote des Evangeliums werden uns in der Bergpredigt gegeben, und es beginnt mit den Worten: „Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind nicht diejenigen, die materiell arm sind - diese Armut kann aus Faulheit und Müßiggang entstehen -, selig sind nicht diejenigen, die sich heuchlerisch oder widerwillig vor den Menschen demütigen, sondern diejenigen, die sich selbst schlechter als alle anderen erachten, die ihre Unzulänglichkeiten sehen, die die Ohnmacht der eigenen Anstrengungen erkennen, die sich nicht mit ihrem Verstand überheben, die Gott um segensreiche Hilfe bitten, „wie die Bettler die Reichen um Almosen bitten“.

Diese „Armen im Geiste“ können sowohl Geringe als auch Reiche sein. Solche Geringe sind “Arme im Geiste”, wenn sie das Kreuz ihrer Armut mit Dankbarkeit gegenüber Gott tragen, ohne zu murren, nach besten Kräften arbeiten und nur in äußerster Not auf die Hilfe ihrer Nächsten zurückgreifen; und Reiche, wenn sie sich nicht als Besitzer, sondern nur als Verwalter der ihnen von Gott anvertrauten irdischen Gütern betrachten, nicht stolz auf ihren Reichtum sind, sondern ihn zur Ehre Gottes und zum Nutzen ihrer Nächsten einsetzen. Abraham war reich, aber er sagte von sich: „Ich bin Staub und Asche. David war ein König, aber er rief demütig zu Gott: „Ich bin ein Wurm und kein Mensch, arm und elend.“ Die „Armen im Geiste“ sind die Armen und die Reichen, die Einfältigen und die Weisen, die Herren und die Arbeiter. Es sind alle, die die Tugend der Demut erworben haben, und ihnen gehört die Seligkeit. Die Demütigen erleben, solange sie noch hier auf Erden sind, eine Freude und einen anmutigen Frieden, von dem stolze Menschen keine Ahnung haben. In den Augen Gottes gibt es nichts Kostbareres als Demut. Ohne Demut gibt es kein Heil, denn ohne Demut kann keine Tugend Gott wohlgefällig sein, sie kann nicht geistig aufbauend und für den Menschen heilsam sein. Schließlich kommen alle Katastrophen, die die Welt bedrücken, aus dem Stolz. Der Engel des Lichts, Luzifer, wurde durch seinen Stolz zu einem Gegner Gottes, dem Teufel (Diabolos, gr. der , und Adam, der hoffte, Gott gleich zu werden, wurde sterblich. Stolz ist die Quelle aller Schlechtigkeit.

Deshalb schlägt Christus vor, den Stolz aus dem menschlichen Herzen auszurotten, deshalb bietet Christus uns die Demut als festen Fels an, auf dem alle Tugenden sicher aufgebaut werden können. Wenn es keine „geistliche Armut“, d.h. Demut, gibt, sagt der heilige Johannes Chrysostomus, „auch wenn du dich durch Fasten, Gebet, Almosen, Keuschheit auszeichnest, auch wenn du alle anderen Tugenden hast, wird all das ohne Demut zerstört werden und zugrunde gehen“, wie es dem Pharisäer im Evangelium erging.

Der Hl. Johannes Klimakos weist auf drei Hauptzeichen wahrer Demut hin: das erste Zeichen ist, wenn die Seele gerne jede Demütigung, jede Beleidigung als Medizin annimmt, die die Übel der Sünde heilt. Das zweite Zeichen ist, wenn du dich über nichts und niemanden ärgerst. Das dritte Zeichen ist, wenn du deinen Tugenden nicht vertraust und ständig das Gute lernen willst, das Leben im Namen und zur Ehre Gottes.

Alle Asketen, alle Heiligen hatten diese Demut. Wir haben ein Vorbild der Demut in unserem Herrn Jesus Christus. „Lernt von mir“, sagt er, “denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Wenn Er, der Sündlose, sich selbst so erniedrigt hat, sollten wir Sünder dann stolz und erhaben sein? Dennoch wandeln wir weiter in Stolz und Verachtung.

Wer die Gabe der „geistlichen Armut“ erlangt hat, sieht stets seine Unzulänglichkeiten, seine Sünden, trauert und weint über sie und schließt eher den Mund, bevor er seine Nächsten verurteilt. Amen.

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