Dreifaltigkeitskloster, Sergiew Posad
Im Laufe unseres Lebens werden wir auf vielerlei Art und Weise von Gott berührt. Unsere Oberflächlichkeit und Geschäftigkeit hindert uns oft, diese Momente zu verinnerlichen und in unserem Gedächtnis zu verankern. Gelingt dies, so können sie zum Kraftquell für unsere geistige und geistliche Entwicklung werden, denn wir entdecken in ihnen Gottes unmittelbare Gegenwart und sein Wirken in der Welt. Über eine dieser Gottesbegegnungen sei hier berichtet.
Während meines Russischstudiums am Pädagogischen Institut in Kaluga führte uns eine Exkursion nach Sagorsk, heute: Sergiew Posad. Obwohl Katholikin zu dieser Zeit, verehrte ich seit meiner Taufe zwei typisch russische Ikonen: die Gottesmutterikone von Wladimir und die Dreifaltigkeitsikone, die Andrej Rubljew gemalt hatte. So freute ich mich riesig, die Geburtsstätte dieser Ikone zu besuchen und noch dazu ein so berühmtes russisches Kloster. Leider war ich nicht gut vorbereitet und wusste nicht, wo ich diese Ikone finden könnte. So streifte ich durch das Gelände des Klosters. Es war ein eisigkalter Januartag und kaum jemand war unterwegs. Plötzlich sah ich eine schwarze Gestalt in einem kleinen bunt angemalten Häuschen verschwinden. Ich folgte ihm, glücklich einer menschlichen Seele begegnet zu sein, in das Brunnenhäuschen, wie ich später erfuhr. Der finster dreinblickende Mönch schaut streng auf diesen dick vermummten Eindringling, der offensichtlich im Begriff war seine Andacht und Ruhe zu stören. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte ganz leise, wo sich die Ikone der Heiligsten Dreifaltigkeit befände. Zu meiner Verwunderung antwortete eine eher sanfte Stimme und auf mein ungläubiges Gesicht hin, deutete er mit der Hand in eine bestimmte Richtung. Ich bedankte mich und verließ eilig diesen Ort. Schräg gegenüber befand sich die Dreifaltigkeitskirche, die ich nun ansteuerte. Ich betrat den Vorraum und entdeckte sofort „meine“ Ikone. Dieser Raum wurde für mich zum hellsten Raum auf Erden. Ja, ich war nach Hause gekommen. Hier war gut sein! In diesem Moment verlor ich jedes Zeitgefühl, die Ewigkeit hatte mich berührt. Nun wollte ich in die Kirche eintreten, aber auf der Türschwelle stehend überkam mich ein Gefühl der Unwürdigkeit, Unvollkommenheit, Unvollendetheit. Irgendeine Macht hielt mich zurück, hinderte mich daran, einzutreten in den heiligen Tempel Gottes. Etwas wie tiefe, tiefe Ehrfurcht erfüllte mich und das Gefühl erwachte, das ich eines Tages wiederkommen würde und bereit dazu wäre, in die Kirche einzutreten und die Heiligen Reliquien unseres Heiligen Vaters Sergij von Radonesch zu verehren.
Die Dreifaltigkeitsikone von Andrej Rubljew
So sollte es letztendlich auch kommen. Etwa 14 Jahre später, nach der Aufnahme in die russische orthodoxe Kirche feierte ich drei Wochen lang jeden Morgen zusammen mit den ehrwürdigen Brüdern in Sergiew Posad die Morgenandacht und durfte die Reliquien des Heiligen Sergej und meine geliebte Dreifaltigkeitsikone verehren.