Archimandrit Sofroni (Sacharow): Die Praxis des Jesus. Teil 4: Wirkung

8. September 2021

Archimandrit Sofroni (Sacharow)

Die Praxis des Jesus Gebetes

Eines der bemerkenswertesten Bücher der asketischen Väter ist die „Himmelsleiter” von Johannes dem Sinaiten. Neu Geweihte Mönche lesen es, und es dient auch für die „Fortgeschrittenen” zu einem Achtung gebietenden Korrektiv (Möglicherweise ist es überflüssig zu sagen, dass die Vollkommenheit auf der Erde niemals vollständig ist). Ähnlich kann man über das Jesusgebet urteilen. Es wird von einfachen frommen Menschen bei jeder Arbeit gebetet; kirchliche Gottesdienste werden dadurch ersetzt; Mönche sprechen es „im Geist”, wenn sie während der Gottesdienste in der Kirche sind; es gehört zu der bevorzugten Beschäftigung der Mönche in ihren Zellen und der Eremiten, die als Hesychasten leben.

Das Verrichten dieses Gebetes knüpft unmittelbar an die Theologie des Namens Gottes an. Es hat tiefe dogmatische Wurzeln, wie überhaupt das ganze asketische Leben der orthodoxen harmonisch vom dogmatischen Bewusstsein begleitet wird. Es wird wahrhaftig bei manchen seiner Formen zum Feuer, das die Leidenschaften verbrennt (vgl.: Hebr 12,29). In ihm waltet göttliche Kraft, welche die durch Sünden Abgestorbenen wieder aufrichtet, die den Geist durch das Licht erleuchtet und ihnen die Fähigkeit vermittelt, die im Kosmos wirkenden Kräfte zu sehen. Es ermöglicht das Geschehen in unserem Herzen und Geist zu schauen: „Es ist schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch bis es scheidet Seele und Geist, Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens” (Hebr 4,12)

Die andächtige Verrichtung dieses Gebetes läßt den Menschen auch zahlreiche in der Atmosphäre verborgene gegensätzliche Energien erfahren. Aus tiefer Buße gesprochen, dringt es in ein Gebiet vor, das jenseits der Grenzen „der Weisheit der Weisen und des Verstandes der Verständigen” liegt (1 Kor 1,19). Für seine stärksten Wirkungen braucht es entweder große Erfahrung oder einen Lehrmeister. Ausnahmslos ist wachsame Vorsicht geboten, der Geist innerer Zerknirschung und Furcht Gottes, der Geduld unter mancherlei Last. Dann wird es zu einer Kraft, die unseren Geist mit dem Geist Gottes verbindet und vermittelt uns das Gefühl für die lebendige Gegenwart der Ewigkeit in uns, ja führt uns zugleich über die Abgründe der Finsternis, die in uns verborgen liegen. Dieses Gebet ist ein großes Geschenk des Himmels an den einzelnen Menschen und an die Menschheit.

Wie wichtig das Verweilen (um nicht zu sagen die ständige Übung) im Gebet ist, verrät die Erfahrung. Ich erlaube mir eine Parallele zu ziehen zu dem natürlichen Leben unserer Welt und Beispiele aus uns bekannten Fakten des modernen Alltags anzuführen.

Sportler, die für einen bevorstehenden Wettkampf trainieren, wiederholen lange Zeit hindurch ein und dieselbe Übung, damit sie im entscheidenden Moment alle Bewegungen rasch, sicher, wie mechanisch ausführen können. Von der Quantität der Übungen hängt die Qualität des Einsatzes ab.

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