“Die Weisheit baute sich ein Haus”

20. September 2023

Hl. Ioann Maximowitsch

Predigt am Fest der Geburt der Allheiligen Gottesgebärerin und Immerjungfrau Maria

«Wie zahlreich sind Deine Werke, o Herr! Mit Weisheit hast Du sie alle gemacht!» (Ps 104,24), sang in alter Zeit der Psalmist.

Was ist diese Weisheit (oder auf Griechisch: Sophia), durch die alles geschaffen wurde?

In einem anderen Psalm heißt es: „Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes.“ (Ps 32, 6).

Und der heilige Evangelist Johannes der Theologe verkündet: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“ (Joh 1, 1- 3)

Die Weisheit Gottes oder das Wort Gottes, durch das alles von Gott geschaffen wurde, ist nicht nur eine abstrakte Begrifflichkeit des Wesens Gottes.

Derselbe Evangelist sagt weiter: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ (Johannes 1,14)

Das Wort, durch das alles geschaffen wurde, ist also der einzig gezeugte Sohn Gottes, die zweite Person der Heiligen Dreiheit. Sie wird auch „die Weisheit Gottes“ genannt, wie der Apostel Paulus in seinem Brief sagt: „Die Juden bitten um Zeichen und die Griechen suchen nach Weisheit, wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten ... Gottes Kraft und Gottes Weisheit“. (1 Kor 1, 22-24)

Der Sohn Gottes wird das Wort und die Weisheit Gottes genannt, weil Gott, der Vater, alles durch seinen Sohn erschafft. So spricht der Vater durch den Sohn Gottes mit seinen Taten, und durch ihn wurde „die vielfältige Weisheit Gottes“ offenbart. (Eph 3,10)

Fest der Geburt der Gottesgebarerin Maria

Gottes Weisheit manifestierte sich zuerst in der Erschaffung der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Wir sehen nun, wie die Welt bereits in ihrem sündigen Zustand ist, ihre ursprüngliche Güte bereits verloren hat, aber auch durch die Sünde geschädigt ist, wie wunderbar die Welt ist und die Weisheit des Schöpfers widerspiegelt.

Wenn wir in den Himmel schauen, gibt es die harmonischen Bewegungen der Himmelskörper, alles bewegt sich gemäß den ewigen Gesetzen, die der Schöpfer der Natur bei ihrer Erschaffung gegeben hat. Nichts stört ihre Bewegung, alles geschieht im Einklang, ohne sich gegenseitig zu stören.

Jedes Tier bis hin zum kleinsten Insekt verfügt über die notwendigen Anpassungen zur Erhaltung, zum Schutz und zur Entwicklung seines Lebens sowie zur Fortpflanzung seiner Art.

Jeder belebte und unbelebte Körper in der Natur besteht aus kleinsten, harmonisch angeordneten Teilchen und stellt eine wunderbare Struktur, ein graziler Stoff des großen Baumeisters und Künstlers dar.

Werfen wir einen Blick auf uns selbst, was für eine wunderbare und weise Verknüpfung der unsichtbaren und sichtbaren Welt, die wir selbst repräsentieren! Da unser Körper zur materiellen Welt gehört, repräsentieren wir die kunstvollste Schöpfung, in der jede Zelle ihre eigene Bestimmung hat.

Je tiefer die Wissenschaft in die Geheimnisse der Natur eindringt, desto klarer wird, dass es sich um eine Schöpfung der größten Weisheit handelt, und desto höher eilt unser geistiger Blick, wenn wir ihren Schöpfer kennen. Schon unsere Fähigkeit zu erkennen, zu reflektieren, Entdeckungen zu nutzen, zu schaffen und vernünftig zu handeln, zeigt, dass wir nicht zufällig entstanden sind, sondern das Siegel des weisen Schöpfers in uns tragen.

Besonders unser Gott ähnlicher Geist bezeugt den allweisen Gott, der den Menschen hoch über die Erde und das Meer des Lebens erhebt und uns schon in unserem gegenwärtigen Leben die Möglichkeit gibt, mit den höheren Mächten darüber zu kommunizieren.

All das haben wir bereits jetzt, in unserem sündigen Zustand als gefallener Mensch und vergängliche Natur. Wie überwältigend war die Schönheit und Güte der Welt bei ihrer Erschaffung! …

Hochfest der Geburt der Allheiligen Jungfrau Maria

Die Allreine Jungfrau, durch die Christus, der Sohn Gottes, unser Schöpfer und Erlöser, sich verleiblichte, um uns ewiges Leben zu schenken, war die Leiter, über die Gott auf die Erde hinabstieg, und wurde für uns zur Brücke, über die wir in den Himmel aufsteigen.

Lange vor der Menschwerdung Christi sagten die Propheten das Kommen des Messias durch sie voraus. Der Prophet Hesekiel sieht sie als ein im Osten verschlossenes Tor, durch das der Herr geht und das verschlossen bleibt, was bedeutet, dass Maria vor, während und nach der Geburt Jungfrau bleibt. Der Prophet Daniel, der den mysteriösen Traum Nebukadnezars erklärt, sieht sie als einen jungfräulichen Berg, von dem ohne die Beteiligung einer menschlichen Hand ein Stein von selbst herabfiel und die Erde erfüllte, was die samenlose und makellose Geburt Christi durch die Jungfrau veranschaulicht. „Siehe, die Jungfrau wird im Mutterleib empfangen und einen Sohn gebären, und sie werden Ihm den Namen Emmanuel geben, das heißt: Gott ist mit uns!“ ruft der Prophet Jesaja aus. (Jes 7,14; Mt 1,23)

Urvater Jakob sah vor langer Zeit in einem Traum eine auf der Erde errichtete Leiter, deren Spitze bis zum Himmel reichte und diejenige darstellte, durch die der Sohn Gottes auf die Erde herabstieg. Der Psalmist König David besingt sie als die Königin, die zur Rechten des Königs in einem goldenen Gewand erschien und geschmückt war, Dessen ganze Herrlichkeit in ihr ist. Und der weise Salomo spricht im Buch der Sprüche von ihr als vom Haus der Weisheit: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen.“ (Spr 9, 1) Das Haus, in dem die Ewige Weisheit während der Verleiblichung wohnte, war die Allreine Jungfrau Maria. Die Säulen dieses Hauses sind Ihre Tugenden. Die Zahl Sieben bedeutete bei den alten östlichen Völkern Vollkommenheit, und die sieben Säulen am Haus symbolisierten Vollkommenheit in der Güte der Muttergottes. Daher stellen die Ikonen die Weisheit Gottes, den Sohn Gottes, auf dem Thron dar, wie in einem Gebäude auf sieben Säulen, und bezeichnen seine reinste Mutter. Oben sind sieben Erzengel, auf beiden Seiten sieben Propheten mit Schriftrollen, auf denen Vorhersagen über die Mutter Gottes stehen, und unten sind die Namen der sieben Tugenden. Die sich häufig wiederholende Siebenzahl bedeutet die spirituelle Vollkommenheit der Allheiligen Jungfrau.

Wenn nun gesungen wird: „Deine Geburt, o Gottesmutter, hat dem ganzen Erdkreis Freude beschert“, dann wurde das irdische Zuhause für die ewige Weisheit erbaut, eine Wohnung für den Sohn Gottes bereitet, der vom Himmel kommt, um das Menschengeschlecht zu retten.

„Christus kommt vom Himmel herab, lauft Ihm entgegen.“ Um Ihm zu begegnen, wird eine beseelte Kammer, ein geweihter Tempel, gebaut, in dem das vom Himmel herabgestiegene vorewige Wort Gottes wohnen wird, um von dort aus mit der Neuschöpfung der Welt zu beginnen und den Himmel mit der Erde wieder zu vereinen.

Hochfest der Geburt der Allheiligen Gottesgebaererin Jungfrau Maria

Lasst uns uns freuen und jubeln über die Geburt der von Gott auserwählten Jungfrau Maria, loben wir die über die himmlischen Scharen erhabene Allreine Jungfrau und Gottesgebärerin, das Haus der Weisheit Gottes, lasst uns ihren Gerechten Eltern die ihnen gebührende Ehre erweisen.

„Durch den König der Ewigkeit, den Ewigen, Unsichtbaren, Einzigen, Allweisen Gott, Jesus Christus, dem da gebührt Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen.“ (1 Tim 1,17; Röm 14,26)

Zindao im Jahre 1948

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