Dieses Gleichnis nimmt einen besonderen Platz unter den Gleichnissen Jesu ein. Es ist bemerkenswert, weil es mit seinen Symbolworten den Schleier, der über dem Jenseits liegt, lüften will.
In seinen ersten Worten spricht das Gleichnis über die menschlichen Beziehungen auf Erden. Der reiche Mann im Gleichnis verkörpert diejenigen, die selbstsüchtig die irdischen Güter nutzen und überhaupt nicht an die Unglücklichen, Mittellosen denken, an diejenigen, die Gottes Gebote in ihrem Leben ablehnen, entweder aus Unglauben oder aus Unwissenheit.
Über diese Menschen legte der leidgeprüfte Hiob mit den folgenden Worten Zeugnis ab: „Sie sagen zu Gott: Geh weg von uns, wir wollen Deine Wege nicht kennen. Was nützt es dem Allmächtigen, Ihm zu dienen? Und was nützt es, sich an Ihn zu wenden?“
Der Bettler Lazarus verkörpert die leidenden, oft der notwendigsten irdischen Güter beraubten Menschen, die Armen und Kranken. Wie der gerechte, langmütige Hiob mag Lazarus in seiner Seele über die Ursache seines Leidens gezweifelt haben, aber er hat sich nie gegen den Allmächtigen aufgelehnt und sein Lebenskreuz in Geduld und Demut still getragen.
Und siehe, der Reiche starb und wurde begraben; auch der Arme starb und wurde in den „Schoß Abrahams“ aufgenommen. ... Darüber hinaus offenbart der Herr in dem Gleichnis in symbolischen Bildern das Geheimnis des Schicksals und der jenseitigen Beziehungen von Gerechten und Ungerechten. Die einen werden von den Engeln in „Abrahams Schoß“ begleitet, die anderen steigen hinab zum Ort der Qualen, zur „Hölle“.
Was ist der „Schoß Abrahams“? Es ist das Gegenteil von „Hölle“. „Abrahams Schoß“ ist sozusagen ein Symbol für den Vorhof des Reiches Gottes, während die Hölle der Vorhof der ewigen Verdammnis, der äußeren Finsternis ist. Das Gleichnis von „dem reichen Mann und dem armen Lazarus“ deutet darauf hin, dass das „Jenseits“, auf Hebräisch „Scheol“, sowohl den Vorhof des Reiches Gottes als auch den Vorhof der „ewigen Verdammnis“ umfasst. „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“, sagt Christus. Zwischen diesen beiden Wohnungen - dem Vorhof des Reiches Gottes und dem Vorhof der „äußeren Finsternis“ - „ist eine große Kluft aufgerichtet“, wie Abraham zu dem leidenden Reichen sagt, „sodass niemand von hier zu euch oder von dort zu uns kommen kann, selbst wenn er wollte.“ Die Toten aber sehen einander, doch die Hilfe des einen für den anderen ist dort nicht möglich.
Das Gleichnis zeigt, dass die Toten nicht von ihren Angehörigen, die auf der Erde bleiben, getrennt sind: Der reiche Mann ist besorgt um seine bösen Brüder, er fürchtet, dass auch sie an diesen Ort der Qual kommen werden. Er bittet Abraham, Lazarus in das Land zu schicken, damit Lazarus seine Brüder erleuchtet. „Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören“, antwortet Abraham dem reichen Mann. “Er erwiderte: Nein, Vater Abraham, nur wenn einer von den Toten zu ihnen kommt, werden sie umkehren. Darauf sagte Abraham: Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.” (Lk 16,30f.)
Hören wir nicht alle in unserer Zeit aus dem Munde der Ungläubigen: Wir würden an Gott und das ewige Leben glauben, wenn ein offensichtliches Wunder vor unseren Augen geschehen würde. Das sagen Menschen mit trügerischem Verstand! Kein Wunder kann den Glauben und die Liebe zum Schöpfer in das Herz des Menschen einflößen. Der Glaube wird durch ein reines Herz und das Wort Gottes geweckt, nicht durch das Sehen eines Wunders. Wenn ein Mensch mit trügerischem Verstand und unreinem Herzen ein Wunder sieht, wird er immer sagen: „Es ist eine Täuschung der Augen“, oder „es ist eine Täuschung der Sinne“, oder „es scheint nur so“.
Damit wir im Jenseits nicht das Schicksal des reichen Mannes teilen, belehrt uns der Herr mit folgendem Wort: “Forscht in der Schrift, denn ihr meint, dass ihr durch sie das ewige Leben habt; sie zeugt aber von mir.” Dieses Wort Christi bleibt unumstößlich für alle, die Gott aufrichtig suchen und ein sinnvolles Leben anstreben. Amen.