Erzpriester Nikolaj Alexejewitsch Gurjanow wurde am 24. Mai 1909 (nach anderen Quellen am 26. Mai 1910) im Dorf Tschudskije Sachody, Kreis Gdow, Diözese St. Petersburg, geboren. Der Legende nach war Gdow, oder im Volksmund Wdow, das Erbe der verwitweten Fürstin Olga. In diesem wahrhaft leidgeprüften Land hörte der Krieg so gut wie nie auf. Das Gebiet von Gdow erinnert sich an die Truppen des Heiligen Alexander Newski und die des Zaren Iwan des Schrecklichen, von Peter dem Großen und des Helden von Borodino, Graf P. P. Konownizyn. Die Festungsmauern der Festung von Gdow umgeben das Hauptheiligtum – die Kathedrale der Gottesmutter - Ikone „Die Thronende“. Dies war die erste Kirche in Russland, die zu ihren Ehren errichtet wurde. Sie wurde nach 1917 auf den Fundamenten einer Kirche aus dem 16. Jahrhundert errichtet. Aber im Jahre 1944 wurde sie gesprengt. Die ursprüngliche Kirche war zu Ehren des Schutzpatrons der Krieger, des Großmartyrers Demetrius von Thessaloniki, errichtet wurden. Ein Reisender, der den Weg zur Festung Gdow findet, wird von einem wie aus geheimnisvoller grauer Vorzeit stammenden Anblick dieses ganzen Landes durchdrungen.
Der Herr bestimmte, dass der große geistige Krieger des 20. Jahrhunderts, Starez Nikolaj Gurjanow, genau an dem Ort geboren wurde, an dem sich seit jeher das Schicksal unseres Vaterlandes entschied. Das Dorf Kobilje Gorodischtsche, in dem die Kirche stand, in der der spätere Starez getauft wurde und mit dem seine Kindheit und Jugend verbunden sind, nimmt in der Geschichte Russlands eine besondere Stellung ein. Nicht weit von diesem Ort fand die berühmte Schlacht auf dem Eis des Peipussee statt.
Die Kirche zu Ehren des Erzengels Michael in Kobilje Gorodischtsche wurde 1462 erbaut. Der Legende nach war es der Erzengel Michael, der die Krieger Alexander Newskis in der Schlacht beschützte und ihnen, die in der Umgebung verstreut waren, half, sich am Tag nach der Schlacht zu sammeln und gemeinsam nach Pskow zu ziehen.
Von früher Kindheit an diente Kolja Gurjanow im Altar der historischen Erzengel-Michael-Kirche. 1910 wurde der spätere heilige Märtyrer Metropolit Benjamin (Kasanski) Bischof von Gdow, Vikarbischof der St. Petersburger Diözese. Er wurde der Ersatzvater des Jungen, da der leibliche Vater starb, als Kolja erst fünf Jahre alt war. Entsprechend der Erinnerungen des Starzen, die von nahestehenden Personen aufgezeichnet wurden, besuchte der Metropolit die Familie Gurjanow oft und übernachtete sogar bei ihnen. Während er dem Bischof während der Gottesdienste half, nahm der Junge die geistliche Weisheit und den Mut des Heiligen in sich auf und hörte einmal von ihm: „Wie glücklich bist du, dass du Gott in Dir hast ...“ – und empfing ein Bischofskreuz als Segensgabe, welches er dann sein Leben lang als seine größte Reliquie aufbewahrte.
Die Worte des Metropoliten Benjamin wurden zum Leitfaden auf dem weiteren Lebensweg. Sein ganzes Leben lang, in all seinen Prüfungen, trug der Asket und Mann Gottes Nikolaj Gurjanow den Herrn in seinem Herzen – das war sein Glück, der Sinn seiner irdischen Wanderungen, die Tiefe seines inneren Menschen. Und sein ganzes Leben lang trug er das Kreuz des Gebets für viele, viele Menschen, ähnlich dem Kreuz eines Bischofs. Starez Nikolaj ehrte Bischof Benjamin als seinen geistlichen Lehrer und freute sich besonders über seine offizielle Heiligsprechung und die Tatsache, dass nachfolgend eine der Seitenkapellen in der Hauptkathedrale von Gdow zu Ehren des Heiligen Märtyrers Benjamin geweiht wurde, da er als himmlischer Schutzpatron der Region Gdow anerkannt ist, d. h. in jenem Gebiet, wo das Leben des Starzen begann und endete.
Schon in seiner Kindheit wurde Kolja Gurjanow „Mönch“ gerufen. Seine geistlichen Kinder schrieben die Geschichte des Starzen über seine gesegnete Kindheit nieder: „In meiner Kindheit nannten mich alle einen ‚Mönch‘. Und ich war froh, dass ich wirklich ein Mönch war. Ich kannte niemanden außer dem Herrn und suchte niemanden … Ich hatte meine eigene Zelle, so nannte man es: kein Zimmer, sondern eine Zelle. Überall gab es kleine Ikonen, Gebetbücher, geistliche Bücher und riesige Zarenporträts. Einmal, als die Roten wüteten, flog eine Granate durch das Fenster und schlug in der Nähe der Zarenporträts ein, explodierte aber nicht: So beschützten mich die kaiserlichen Märtyrer von Kindheit an; und wie sehr ich sie liebte! Mir blieb sogar das Herz stehen, sobald ich an sie dachte! …“
Unter den Kindern, Kolja Gurjanows Altersgenossen, gab es nicht nur diejenigen, die ihn verspotteten, sondern auch Gleichgesinnte. Der Älteste selbst erzählte davon: „Und was war nur mit mir los? Ich dachte die ganze Zeit an Gott, redete und unterhielt mich mit ihm. Unser Ort, Tschudskije Sachody, war überwiegend von Esten bewohnt. Als ich noch ein Junge war, versammelte ich sie alle – Luzzy, Magda, Salma, Edward – und sagte: „Lasst uns eine Prozession machen!“ Wir nahmen Kreuze und Ikonen mit. Und so gingen wir los, und ich ging voran und sang auf Estnisch: „Issent hey da armu“ – „Herr, erbarme dich“ … Und dann, wenn ich allein war, schlich ich mich ins Badehaus, nahm eine Decke von den Kissen, bedeckte meine Schultern damit und begann, die Liturgie zu zelebrieren. Ich habe sogar das Weihrauchfass selbst gemacht. Und ich weinte und pries Gott. Ich habe besonders das nächtliche Gebet geliebt, denn mitten in der Nacht öffnet sich der Himmel und die Engel lauschen …“
Doch schon in früher Kindheit war die Einsamkeit für den jungen Asketen das Kostbarste. Der Starez erzählte: „Seit meiner Kindheit besuchte ich gern den Friedhof. Ich dachte an den Tod und das künftige Gericht Gottes. Ich betete und weinte für die Verstorbenen.“
Die wichtigste Erzieherin und geistliche Freundin des jungen Asketen war seine Mutter, die er nach ihrem seligen Tod als Heilige bezeichnete. Sie lehrte ihn das Beten und lehrte ihn, ständig vor Gott zu stehen. Dies zeigt sich darin, dass der Junge seine Mutter schon in seiner Jugend oft fragte: „Mama, ist das nicht eine Sünde? Ist das dem Herrn wohlgefällig?“
Ekaterina Stefanowna Gurjanowa, geborene Krylova, war ein engelsgleicher Mensch, wie diejenigen sagten, die sie während ihrer Jahre auf der Insel Talabsk trafen. Nach dem frühen Tod ihres Mannes zog sie vier Söhne allein groß. Der Starez Nikolaj erinnerte sich oft an die prophetischen Worte seines Vaters, die er einmal bei einem gemeinsamen Essen gesprochen hatte. Er zeigte auf seinen jüngsten Sohn und sagte zu seiner Frau: „Dieser wird sich um dich kümmern.“ Und so geschah es – bald starb Alexej Iwanowitsch selbst und seine drei älteren Söhne starben „für ihre Freunde“ während des Großen Vaterländischen Krieges.
Bis an sein Lebensende nannte der Älteste seine Mutter liebevoll „Mamuschka“: „Meine Mamuschka war von Gott gesegnet. Sie redete nicht gern, war meist still und sprach in Gedanken mit dem Herrn. Sie trennte sich nie von ihrem Evangelium. Sie war sehr religiös und liebte den Chorgesang.“ Doch selbst die tiefgläubige Mutter war beunruhigt über die Bekennerstimmung, die ihr Sohn in seiner Kindheit und Jugend, die mit dem Beginn der revolutionären Unruhen zusammenfiel, an den Tag legte. Dieser Bekennergeist wurde Nikolaj Gurjanow vom Herrn selbst eingeflößt.
Nach der Geschichte einer der ersten Helferinnen des Starzen Nikolaj auf der Insel, Nonne Raphaela, offenbarte er ihr dies einmal selbst: „In meiner frühen Jugend, als ich zu einem abendlichen Treffen mit Freunden ging, sah ich unseren Herrn Jesus Christus auf der Weizentenne sitzen … Und er sagte zu mir: ‚Geh nie spazieren!‘“ Und dann bezeugt die Nonne: „Das Väterchen wurde schon in jungen Jahren von Gott auserwählt … Von da an liebte er das Kreuz Christi und teilte diese Liebe wie eine heilige Reliquie mit seinen Freunden.“ Fügen wir hinzu, dass Starez Nikolaj während seiner Jahre als Priester auf der Insel oft auf die Frage: „Wie soll ich leben, um gerettet zu werden?“ den Kreuzeshymnus sang oder las: „Vor Deinem Kreuz, o Gebieter, fallen wir anbetend nieder und wir preisen Deine heilige Auferstehung.“
Es gibt Hinweise darauf, dass ihm im Alter von neun Jahren, am Tag des Kreuzesleidens der Zarenmärtyrer, offenbart wurde (wir wissen nicht wie – in einem Traum oder einer subtilen Vision), was in der Nacht des 17. Juli 1918 im Keller des Ipatjew-Hauses in Jekaterinburg geschehen war.
An diesem Tag begegnete der Junge seiner stets betenden Mutter Jekaterina Stefanowna, mit den Worten: „Mutter! Mutter! Der Zar wurde getötet! Alle! Auch der Zarewitsch! Der Herr wird sie schrecklich bestrafen, die Verdammten, die den Zaren getötet haben. Er wird sie alle bestrafen!“ In seinen letzten Lebensjahren, so sagte der Starez, seien ihm dann die schrecklichen Einzelheiten der Qualen der Zarenfamilie offenbart worden. Der Schock dieser Offenbarung ließ in der Seele des Jungen Liebe, Ehrfurcht und Reue gegenüber den kaiserlichen Leidenduldern entstehen, die er sein ganzes Leben lang in sich trug und zu der er auch diejenigen aufrief, die ihn bereits am Ende seines Lebens um Rat fragten.
Die Mutter befürchtete, dass die freimütigen Worte und Gedanken ihres Sohnes der ganzen Familie Ärger bereiten würden. Da sie seinen Gehorsam kannte, bat sie die Literaturlehrerin Ljubow Nikolajewna Mikitkina (der Priester hatte ihr Foto aufbewahrt, da er sie offenbar verehrte), mit Nikolai zu sprechen. Auf die Ermahnung zum Schweigen antwortete der junge Mann: „Wenn alle schweigen und niemand über Gott spricht, werden alle sterben!“ Und er bat die Lehrerin: „Ich bitte Sie, sprechen Sie über Gott und den Zaren. Jetzt zu schweigen ist eine Sünde, und wenn Sie nicht glauben, werden Sie schwer krank.“
Diese Aussage erklärt, warum Nikolaj Gurjanow sich für den Lehrerberuf entschied und nach dem Schulabschluss die Pädagogische Hochschule in Gatschina und anschließend das Pädagogische Institut in der Stadt an der Newa besuchte. Wahrscheinlich weckte ebendiese Literaturlehrerin in der Seele des jungen Mannes eine besondere Liebe zur Sprache, zur Poesie. Schon in jungen Jahren schrieb Nikolaj Gurjanow seine Lieblingsgedichte in ein spezielles Notizbuch, das später die Grundlage seines geschätzten Buches „Das Wort des Lebens“ bildete.
Lassen Sie uns hier eine Annahme treffen. Zu der Zeit, als Nikolai Gurjanow in Gatschina studierte, lebte die heilige Märtyrernonne Maria von Gatschina noch, und die Menschen suchten bei ihr Rat und Trost. Es ist bekannt, dass auch der geistliche Vater des zukünftigen Starzen, der heilige Märtyrerbischof Metropolit Benjamin, die Nonne besuchte. Daher kann man sich vorstellen, dass er, der von früher Kindheit an versuchte, „zur Heiligkeit zu gelangen“ und sich nun in der Nähe einer so großen Asketin (sie erlitt 1932 den Märtyrertod)befand, die selige Stariza Maria aufsuchte. Vielleicht erhielt er von ihr Ratschläge, wie er sich in atheistischen Zeiten verhalten sollte. Das Mütterchen selbst war Bekennerin und ermutigte diejenigen, die mit ihr in Kontakt kamen, zu derselben Tat.
Nachdem Nikolaj Gurjanow den Beruf des Lehrers erlangt hatte, bereitete er sich offensichtlich auf das Martyrium vor. Inspiriert wurde er dazu durch die Tat seines geistlichen Vaters, Metropolit Benjamin (Kasanskij), und, wie wir annehmen, durch die heilige Märtyrerin Maria von Gatschina.
Nach dem Martyrium des Heiligen Metropoliten Benjamin im Jahr 1922 verfasste der vierzehnjährige Nikolai eine Bittektenie, die er sein ganzes Leben lang dem Herrn darbrachte. In seinem Notenheft schrieb der Priester unter diese Ektenie: „Zum seligen Gedenken an den geistlichen Vater Metropolit Benjamin. 1922.“