Kapitel 5: Jeder braucht Gott Teil 48

28 Februar 2025

Das Buch von Erzpriester Andrej Lemeschonok

Wiederherstellung

Für uns, die wir in dieser Welt aufgewachsen sind, ist es schwierig, in die geistige Welt einzutreten: Wir sehen das Äußere, aber wir können das Innere nicht sehen, weil wir fleischlich denken und von unseren Gefühlen gelenkt werden.

Es gab einen Moment in meinem Leben, der mich beeindruckte und an den ich mich bis heute erinnere. Es war Ende der siebziger Jahre. Die Kirchen waren zu dieser Zeit baufällig.

Ich kam in eine Pfarrei und sagte zu dem alten Priester: „Herr Pfarrer, ich werde jede Woche zu Ihnen kommen, ich werde Ihnen hier helfen, ich werde das Gotteshaus putzen, es reparieren, ich werde alles tun. Es tat mir so leid, dass das Gotteshaus in einem so beklagenswerten Zustand war. Und das Väterchen sagte plötzlich zu mir: „Hör zu, du hast kleine Kinder zu Hause, tu das nicht, du solltest besser ihnen helfen, sie brauchen deine Hilfe jetzt mehr“.

Und in diesen Worten offenbarte sich mir eine solche Schönheit, eine solche innere Freiheit! Denn ich hatte schon ganz andere Worte gehört, als Priester im Gegenteil sagten: „Komm, arbeite, hilf!“ Aber hier war ein Mann, der sich meiner inneren Probleme annahm, obwohl es eine Menge zu tun gab, um die Kirche wiederherzustellen.

Das ist so eine besondere seelische Haltung, wenn ein Mensch schaut, was sein Nächster brauchen könnte? Was sind seine Bedürfnisse? Und nicht: „Gebt mir etwas, tut etwas für mich, opfert, arbeitet, ich brauche dies jetzt so sehr“.

Von Gott weg oder auf Gott zu gehen

Wenn wir unser Leben so aufbauen, dass Christus im Mittelpunkt steht, dann ist jeder Tag, jeder Schritt, jede Entscheidung, die wir treffen, entweder ein Schritt auf Gott zu oder ein Schritt von Gott weg. Wir sind gewohnt, uns an uns selbst, unserem Zustand, zu orientieren, uns selbst, unserem Wissen, zu vertrauen, aber wir sehen auch, dass das im geistlichen Leben schädlich für uns sein kann und unsere Fehler uns teuer zu stehen kommen.

Wenn die Sünde in mir lebt, wird sie mich verführen. Ich stand vor der Kirche mit einem Mann und wir unterhielten uns, und eine Schwester ging vorbei, und plötzlich veränderte sich ihr Gesicht, und sie sagte: „Bin ich so schlecht, warum verurteilst du mich?“ Ich antwortete: „Weißt du, über dich hat überhaupt niemand gesprochen.“ Aber die Schwester war innerlich auf das Schlechte ausgerichtet, und so hörte sie, wie die Leute schlecht über sie sprachen und sie auslachten. Aber dies war ihr innerer Zustand. Und es kommt vor, dass ein Mensch die Mimik eines anderen Menschen nicht richtig deutet. Das heißt, ein Mensch befindet sich in einem kranken Zustand und baut sein ganzes Leben auf der Grundlage dieses Zustands auf. Er ist im Grunde seines Herzens düster und betrachtet jeden mit Argwohn, mit Misstrauen und vermutet bei allen Dingen einen Haken. Und was auch immer man zu dieser Person sagt, ob im Guten - „Du lachst mich aus.“, oder mit Kritik - „Du liebst mich nicht. "Du hasst mich.“ Man darf auf keinen Fall sein Leben bewerten oder das Leben deiner Nächsten durch das Prisma des eigenen Zustands beurteilen, der sich im Leben beständig ändert.

Na, wie geht's?

Warum fängt ein Mann an, übermäßig Alkohol zu trinken? Natürlich nicht, weil man ein so gutes Leben hat. Und wessen Schuld ist es, dass er trinkt? Ganz sicher nicht wir, es ist seine eigene Schuld. Aber wenn wir sagen: „Ich bin schuld, weil mein Herz verschlossen ist, weil ich ein grausamer Mensch bin, weil ich niemanden liebe, weil ich egoistisch bin“, dann wird die Seele beginnen, die Sünde des Nächsten anders wahrzunehmen, seine Sünde ist auch unsere Sünde.

Wie lehrt man Kinder, zu gehorchen? Zuerst müssen wir hören, was die Kinder sagen, uns einfühlen, sie verstehen und ihnen zuhören. Aber wenn wir die Kinder nicht verstehen, wenn wir ihnen Befehle erteilen, wenn wir unbedachte Worte sagen, wenn alles auf Leidenschaften und Emotionen beruht, wie sollen die Kinder uns dann hören?

Unsere Kommunikationsebene ist: „Na, wie geht es dir? Ist alles in Ordnung? Nun, auf Wiedersehen.” Belästige mich nicht, belästige mich nicht mit deinen Problemen. Ich habe genug eigene, und ich habe keine Zeit, mich in die Angelegenheiten anderer Leute einzumischen.

Aber wenn wir auf eine gute Art und Weise angesprochen werden, wenn wir spüren, dass wir wahrgenommen werden, dass man uns verstehen und nicht verurteilen will, dann verändert sich der Zustand unserer Seele, und dann werden wir lebendig, werden anders. Doch wie sehr mangelt es uns an Aufmerksamkeit und Herzlichkeit füreinander!

Taktik der Liebe

Man muss immer überlegen: was ist gut und was schlecht. Wenn ein betrunkener Ehemann nach Hause kommt, und die Frau beginnt in diesem ungesunden Zustand mit ihm zu sprechen, was wird dann passieren? Es wird einen schrecklichen Skandal geben, einen Streit. Eine kluge Frau wird ganz anders handeln: „Trink einen Tee, leg dich hin, ruh dich aus“. Sie schaltet den Fernseher ein, ihr Mann schläft ein, und am Morgen kann man in aller Ruhe mit ihm reden.

Denn wenn ein Mensch gescholten wird, reagiert er darauf und verteidigt sich. Wenn er aber nicht gescholten wird, sondern Mitleid und Vergebung erfährt, beginnt er sich für seine Sünde zu schämen.

Gott liebt uns unendlich und diese Liebe bleibt unbegreiflich für unseren Verstand. Aber Gottes Liebe wird niemals in Gewalt gegen den Einzelnen ausarten. Und wir können niemanden dazu zwingen, anders zu leben, wenn er es nicht will. Aber wir müssen uns selbst dazu zwingen, unser Leben zu ändern. Und wenn wir uns selbst ändern, werden sich auch unsere Nächsten ändern.

Beziehungen für die Ewigkeit

Wenn unsere Beziehungen zu unseren Nächsten auf Sünde, auf unser Ego, auf dem Prinzip „wie du mir, so ich dir“ aufgebaut sind, dann bricht das alles sehr schnell zusammen. Sobald sich jemand gekränkt und benachteiligt fühlt, können aus den Freunden von gestern schnell Feinde werden.

Wir brauchen aber ewige Beziehungen, d.h. solche, die ins ewige Leben übergehen. Und diese Beziehung kann nur in Gott bestehen.

Da lesen wir, dass es eine neue Erde geben wird, einen neuen Himmel, ein neues Leben. Und dieses neue Leben wird nicht irgendwann beginnen, nicht irgendwo in den Wolken. Es beginnt jetzt in unserem gegenwärtigen Leben, wenn wir in unseren Beziehungen zu unseren Nächsten immer versuchen, uns zu zwingen, uns ständig bemühen, dass die Sünde nicht in uns eindringt, dass wir keinen Gedanken zulassen, der Groll, Verurteilung oder Murren gegen unseren Nächsten enthält.

Dann wird jede Begegnung, jede Beziehung, die wir miteinander haben, für uns eine Schule des Lebens im Paradies.

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