Kapitel 5: Jeder braucht Gott Teil 50

20 März 2025

Das Buch von Erzpriester Andrej Lemeschonok

Flügel wachsen

Ein Mensch tut etwas, und man sagt ihm: „Du wirst es nicht schaffen, du machst es nicht richtig, du bist unfähig. Wenn man das ständig hört, fängt man an, es selbst zu glauben, und es entsteht ein Minderwertigkeitskomplex. Er traut sich nicht mehr, etwas zu wagen und sagt: „Was kann ich schon machen? Ich bin mittelmäßig, einer aus der grauen Masse, nicht so wie andere Leute“.

Aber wenn ein Mensch gelobt wird, wenn man sagt: „Schau, du kannst es doch, du kannst alles erreichen.“, wenn man an einen Menschen fest glaubt, dann kann er Berge versetzen. Ich habe das an vielen Beispielen gesehen. Wenn man einem Menschen vertraut und ihm eine verantwortungsvolle Aufgabe überträgt, wachsen ihm Flügel.

Es gibt eine erstaunliche Episode in dem Film „Zwölf“, als eine Frau daran glaubte, dass ein Alkoholiker, der getrunken und alles in seinem Leben verloren hatte, sich ändern könnte, und tatsächlich hörte er mit dem Trinken auf und begann ein neues Leben.

Wenn eine Mutter über ihren Sohn sagt: „Ich habe gebetet, nichts funktioniert. Aus ihm wird sicher nichts Gutes werden. Alle meine Gebete sind sinnlos.“ Das ist Verrat, das ist eine Lüge, ja das ist Sünde. Wir helfen unseren Verwandten, unseren Kindern nicht, sondern im Gegenteil, wir behindern und beeinflussen sie, so dass sie selbst anfangen zu glauben, dass sie zu nichts fähig sind und sich niemals bessern werden. Wie wichtig ist es, die Initiative eines Menschen nicht zu unterbrechen, ihn nicht in seinem Wunsch zu stoppen, etwas zu tun, etwas auszudrücken, sich irgendwie zu verwirklichen, sondern an ihn zu glauben, auch wenn er keinen Erfolg hat. Wenn man Menschen um sich hat, die an einen glauben, wird man auf jeden Fall Erfolg haben.

Niemals die Orientierung verlieren

Was ist der Maßstab für unser geistliches Leben? Es sind unsere Nächsten und unsere Haltung ihnen gegenüber. Je näher uns ein Mensch steht, desto schwieriger ist es, ihn mit all seinen Fehlern zu lieben und zu akzeptieren. Ist es möglich, die Sünde zu lieben? Ist es möglich, einen Mann zu lieben, der betrunken kommt, seine Zunge kaum bewegen kann, schmutzig und ohne Geld ist? Wie kann man einen solchen Mann lieben? Es ist unnatürlich, die Sünde zu lieben. Aber man kann Mitleid haben mit einer kranken Seele, in der du Schönheit gesehen hast, in der es so viel Gutes und Freundlichkeit gibt, aber der Mensch löscht alles aus, verzerrt alles und verliert alle Bezugspunkte im Leben.

Unser Erbarmen ist Liebe. Und das Gebet: „Herr, hilf! Vielleicht ist es meine Schuld, dass es diesem Menschen heute so schlecht geht“ - auch das ist Liebe. Wir können nicht, wie die Baptisten, sagen: „Ich liebe Gott und ich liebe alle“.

Wir sagen: „Herr, ich liebe niemanden, aber lehre mich, gib mir Kraft, meine Lieblosigkeit, meinen Egoismus zu überwinden.“

Ja, wir lieben Gott, aber die Prüfungen kommen, und wir sagen: „Warum, Herr, hast du mich so hart bestraft? Warum hast Du mir solche Prüfungen geschickt?“ Und das ist bereits Misstrauen gegenüber Gott, Murren, Kampf mit der Vorsehung Gottes.

Ja, wir lieben unseren Nächsten, aber wenn unser Nächster uns beleidigt, uns kränkt, hören wir auf, ihn zu lieben. Und das nicht, weil wir schlecht sind, sondern weil unsere Liebe geistig, menschlich ist. Wir können die Liebe Christi nicht erreichen, aber wir verstehen, dass diese Liebe Christi unser Bezugspunkt im Leben ist. Ein Bezugspunkt, der nicht verloren gehen darf, so wie ein Navigator einen Leuchtturm nicht aus den Augen verlieren darf, sonst zerbricht er an den Felsen. Und jeden Tag wachen wir auf und bitten den Herrn, uns zu erleuchten und zu jedem guten Werk zu ermutigen.

Ein Gedanke ist von Nöten

Gott kann durch jeden einzelnen von uns sprechen, wenn es Gottes Wille ist. Aber wenn wir aus uns selbst sprechen, aus unserem Verstand, können wir nur Schaden anrichten. Es gibt eine menschliche Wahrheit, ein Wort, das aus der Seele kommt. Es kann einen Moment lang fesselnd sein, es ist uns klar und wir nehmen es an, aber dann wird es zu einer leeren Hülse. Und es gibt ein Wort, das auferstehen lässt und Kraft zum Weiterleben gibt. Man kann sagen: „Gott schütze dich“. Aber man muss es so sagen, dass Hoffnung und Freude in einem Menschen aufkommen und Dunkelheit und Verzagtheit sein Herz verlassen. Oder man kann sagen: „Tu dies und das, mach alles so, wie ich es dir sage, und denke an nichts“. Alles ausführlich beschreiben, alles auseinander klamüsern, doch der Mensch wird überhaupt nicht verstehen, was ihm gesagt wurde. Er wird nichts hören und sich noch mehr in seinen Problemen verstricken.

Wenn Sie also innerlich unruhig sind, unzufrieden, wenn Sie zweifeln, ob Sie etwas sagen sollen oder nicht, dann warten Sie, beruhigen Sie sich und kehren Sie in einen friedlichen Zustand zurück.

Aus der Fülle des Herzens redet der Mund (Matthäus 12,34). Nicht Sie sollen sprechen, sondern Gott soll durch Sie sprechen.

Die Menschen wollen alles verstehen, alles begreifen und ihre persönliche Entscheidung treffen. Wenn wir sagen: „Geh in die Kirche und bete, Gott wird dir alles offenbaren“, ist das falsch, denn die Menschen haben noch keinen Glauben und sind nicht bereit, ihr Leben in die Hände Gottes zu legen. Es braucht den Dialog, es braucht den Kampf und deine Beteiligung an der Entscheidungsfindung, es braucht den Weg deiner Seele zu Gott. Sonst wird alles zu einem toten Buchstaben, der einen Menschen nicht rettet.

Wir können nicht wie alle leben

Die Welt hasst Christus und hasst die Kirche. Die Kirche als Museum - ja! Die Kirche als Konzertsaal, in dem man gut singen kann - ja! Aber die Kirche als ein Ort, an dem der Mensch innere Freiheit findet, an dem ein Mensch den Rang seiner Natur überwindet, an dem ein Mensch beginnt, mit völlig anderen Werten zu leben - das verzeiht die Welt nicht und akzeptiert es nicht.

Wenn wir Christus nachfolgen wollen, sollten wir nicht dem Feind glauben, der versucht, uns aufzuhalten, uns mit der Welt zu versöhnen, die Sünde zu rechtfertigen. Wenn wir ein solches Christentum finden wollen, das sagt: „Es ist möglich, für Gott und für diese zeitliche Welt zu leben“, dann bedeutet dies das Ende unseres Christentums. Der Feind sagt, man könne in der Fastenzeit in die Kirche gehen, eine Kerze anzünden, einmal zur Kommunion gehen, was ist daran falsch? Das ist doch normal! Und es ist möglich, wie alle anderen zu leben, uns nicht mit Gewissensbissen zu quälen und unser Leben nicht zu verkomplizieren.

Aber wir können nicht wie alle anderen leben, wenn Christus in uns ist. Möchte ich Christus in mir haben? Will ich aufstehen und gegen die ganze Welt kämpfen, die mir Vergnügungen und Unterhaltung bietet? Oder will ich mich in dieser Welt auflösen, mich verstecken und sagen, ich bin wie alle anderen.

Heute gehen alle in die Kirche, und ich werde auch hingehen. Aber morgen werden sie sagen: „Wir werden diejenigen töten, die in die Kirche gehen“, und dann werde ich nicht gehen, sondern erstmal abwarten, was passiert. Und der Feind tötet nicht physisch, sondern geistig - er tötet uns - er verunreinigt unseren Geist, verunreinigt unser Herz. Und jeder Christ, der zur Kommunion geht, der zu Christus kommt, ist ständig im Fadenkreuz. Und wir sollten nicht denken, dass der Krieg gegen die Kirche vorbei ist.

Er geht weiter und wird weitergehen, nur die Methoden des Kampfes werden anders sein. Aber gerade in diesem Krieg zeigen sich die wahren Soldaten Christi. Wer bis zum Ende ausharrt, wird gerettet werden (Mt 24,13).

Wovon das Schicksal der Welt abhängt

Alles, was in und um uns herum geschieht, hängt von unserem Gebet ab. Nicht einmal von unserem Gebet, sondern von meinem persönlichen Gebet. Jeder sollte sagen: „Alles hängt davon ab, wie ich mit Gott lebe und die Sünde bekämpfe.“

Das ist die größte Entdeckung, dass das Schicksal der ganzen Welt von meinem Gebet abhängt. Die ganze Welt! Hier habe ich heute nicht gebetet, und jemand hat vielleicht die Hoffnung verloren und ist gestorben. Und das ist meine Schuld. Ich habe heute gesündigt, ich war unvorsichtig und unachtsam, und meine Sünde hat andere Menschen betroffen, die ich nicht einmal kenne. Das ist die Verbindung, die ich mit der Welt habe!

Sie muss lebendig sein, dann bin ich in das wirkliche Leben einbezogen. Ich stehe nicht im Abseits, ich bin ein Krieger Christi, und es gibt einen Kampf um die ganze Welt. Und von meinem Mut oder von meiner Feigheit hängt vieles ab, was in meinem Leben und in der Welt geschieht. Wir dürfen nicht unbeteiligte Zuschauer sein, sondern müssen an diesem Leben teilnehmen.

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