Palmsonntag

13 April 2025

Protopresbyter Alexander Schmeman

In der ganzen christlichen Welt wird der letzte Sonntag vor Ostern Palmsonntag genannt. An diesem Tag erinnern sich die Gläubigen daran, wie Christus sechs Tage vor seinem Leiden und Sterben in die Heilige Stadt einzog und von einer begeisterten Menge begrüßt wurde.

Hier die Erzählung aus dem Evangelium nach Matthäus:

Als sich Jesus mit seinen Begleitern Jerusalem näherte und nach Betfage am Ölberg kam, schickte er zwei Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und bringt sie zu mir! Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen. Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig und reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.

Die Jünger gingen und taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte. Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf. Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Die Leute aber, die vor Ihm her gingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe! Als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung, und man fragte: Wer ist das? Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.

Jesus ging in den Tempel und trieb alle Händler und Käufer aus dem Tempel hinaus; er stieß die Tische der Geldwechsler und die Stände der Taubenhändler um und sagte: In der Schrift steht: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein. Ihr aber macht daraus eine Räuberhöhle. Im Tempel kamen Lahme und Blinde zu ihm und er heilte sie. Als nun die Hohenpriester und die Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder im Tempel rufen hörten: Hosanna dem Sohn Davids!, da wurden sie ärgerlich und sagten zu ihm: Hörst du, was sie rufen? Jesus antwortete ihnen: Ja, ich höre es. Habt ihr nie gelesen: Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob? Und er ließ sie stehen und ging aus der Stadt hinaus nach Betanien; dort übernachtete er. (Mt 21, 1-17)

Um die tiefe Bedeutung dieses Textes zu verstehen, um die Freude an diesem alljährlich wiederkehrenden Feiertag, dem Palmsonntag, zu spüren, müssen wir uns zunächst daran erinnern, dass dieser feierliche Einzug in Jerusalem die einzige offensichtliche feierliche Würdigung Jesu während des ganzen irdischen Lebens Christi war. Er strebte nirgends und niemals nach Anerkennung, Macht oder Ruhm, noch suchte Er auch nur nach einem einfachen weltlichen Wohlstand. “Füchse haben Höhlen”, sagte er, “und Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann” (Mt 8,20). Auf alle Versuche, Ihn zu verherrlichen, antwortete Er stets mit einer entschiedenen Ablehnung, und Seine ganze Lehre war eine Lehre von Demut und Sanftmut: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,29). Von der Geburt in einer Höhle bis zum schändlichen Tod am Kreuz neben zwei Verbrechern war Sein ganzes Leben, aus unserer menschlichen, irdischen Sicht, nach unseren Normen und Maßstäben ein einziges und tragisches Versagen. Am Ende verstreute sich sogar die Menschenmenge, die Ihm anfangs gefolgt war, weil sie Wunder und Heilungen von Ihm erwartete. Aber am Ende verließen Ihn sogar Seine Jünger und alle flohen.

Palmsonntag

Wir müssen verstehen, dass im Zentrum, im Herzen des christlichen Glaubens, in der Tat der alltägliche Mißerfolg, die Tragödie, das irdische Scheitern steht. Und darauf haben die Feinde des Christentums oft hingewiesen und Christus und seine Anhänger verspottet, angefangen bei denen, die am Kreuz standen und den Leidenden verspotteten: „Rette dich! Wenn du der Sohn Gottes bist, dann steige vom Kreuz herab“ (Matthäus 27,40). Aber Er stieg nicht herab, Er antwortete ihnen nichts... Und dann spotteten Voltaire und die Vertreter der so genannten Aufklärung auf dieselbe Weise, und später noch Nietzsche und seine Schüler, die Träger der Idee des Übermenschen. Und schließlich gibt es in unseren Tagen unzählige Vertreter der philosophischen Wissenschaften, die per Dekret von oben populäre antireligiöse Pamphlete schreiben.

Man muss hinzufügen, dass die Gläubigen selbst manchmal dieses zentrale Paradoxon ihres Glaubens vergessen und Christus jene irdische Kraft, Macht, Autorität und diesen Erfolg zuschreiben, die er so entschieden abgelehnt hat; und sie vergessen leicht die schrecklichen Worte des Evangeliums: „Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit,“ (Mt 26,37). Dann bekommt dieser eine irdische Triumph, die Verherrlichung Christi, die er selbst herbeigeführt hat, die er selbst gewollt hat, eine ganz besondere, unvergleichliche Bedeutung: „Die ganze Stadt kam in Bewegung“ (Mt 21,10). Wir wissen, dass die Worte, die die Menge rief: „Hosianna dem Sohn Davids“, dass die Symbole, mit denen sie Christus umgaben: Palmzweige, die alle nach politischer Rebellion „rochen“, dass alle diese Symbole traditionell auf den König hinwiesen, die Anerkennung Christi als König und die Ablehnung der Regierung bedeuteten. „Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen?“ (Mt 27,13) - fragten die Vertreter der Regierung Christus. Und hier leugnete Christus dieses Lob nicht, sagte nicht, dass es ein Irrtum sei; deshalb wollte er diesen Triumph am Vorabend von Verrat, Untreue, Leiden und Tod. Er wollte, dass die Menschen sehen und erkennen und verkünden, wenn auch nur für einige Augenblicke, wenn auch nur in einer Stadt, dass die wahre Autorität und Macht und Herrlichkeit nicht bei denen liegt, die sie durch äußere Gewalt und Macht erlangen, sondern bei Ihm, der nichts anderes lehrte als Liebe, wahre innere Freiheit und Unterwerfung allein unter das höchste und Göttliche Gesetz des Gewissens.

Einzug in Jerusalem

Dieser Einzug in Jerusalem bedeutete die endgültige Entlarvung der Macht der Gewalt und des Zwangs, einer Macht, die unablässige Selbstverherrlichung braucht, um sich zu erhalten. Für ein paar Stunden erstrahlte in der Heiligen Stadt ein Reich des Lichts und der Liebe, das von den Menschen erkannt und angenommen wurde. Und, was am wichtigsten ist, sie konnten es nie ganz vergessen. Riesige Reiche sind entstanden und gefallen, ganze Völker erobert und besiegt worden, alle möglichen Führer und Herren haben unerhörte Macht und unerhörten Ruhm erlangt, aber dann sind sie verschwunden, in dunkle Vergessenheit geraten. „Welcher Ruhm auf Erden steht fest und unveränderlich?“ - fragt der Dichter und wir antworten: keiner. Aber das Reich dieses bettelarmen, heimatlosen Lehrers steht und leuchtet mit der gleichen Freude, der gleichen Verheißung. Und das nicht nur einmal im Jahr, am Palmsonntag, sondern immer, ja für immer und ewig. „Dein Reich komme“ (Mt 6,10) beten die Christen, und es kommt gewiss, gewinnt stets, egal wie unmerklich, unsichtbar dieser Sieg im Getöse all der anderen irdischen und vergänglichen Siege auch ist.

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