Predigt am 22. Sonntag nach Pfingsten (Lk 8, 41 – 56)

21. November 2021

Metropolit Antonij von Surosch

Ikone von der Auferweckung der Tochter des Jaïrus

Ikone von der Auferweckung der Tochter des Jaïrus

Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Das heutige Evangelium handelt nicht nur von Wundern und der Barmherzigkeit Gottes. Für mich geht es hier um Hoffnung jenseits der Hoffnung. In der Geschichte der Tochter des Jaïrus sehen wir ein Kind, das bereits tot ist. Jeder weiß davon. Der Sohn Gottes, der der Menschensohn wurde, sagt mit großer Gewissheit: Nein! Dieses Kind ist nicht gestorben, es ist eingeschlafen, aber alle widersprechen ihm: Nein, dieses Kind ist gestorben. Und dann ruft Christus mit einem machtvollen Wort, aber in einem Akt der Liebe, das Kind wieder zurück ins irdische Leben.

Ist das nicht - abgesehen davon, dass es ein wahres Ereignis unserer menschlichen Geschichte ist - auch ein Gleichnis und ein Bild von so vielen menschlichen Situationen? Wie oft würden wir sagen: Es hat keinen Sinn, irgendetwas gegen diese Person zu unternehmen, diese Person ist sowieso verloren. Es gibt nichts zu tun, um eine bestimmte Situation zu lösen. Diese Situation ist jenseits der Erlösung. Und wir müssen uns an die Worte erinnern, die Christus zu Petrus gesprochen hat, als er sagte: Wer kann dann gerettet werden? und der Herr sprach zu ihm: Was dem Menschen unmöglich ist, ist Gott möglich.

Hoffnung jenseits der Hoffnung: nicht weil wir gute Gründe haben zu hoffen, sondern weil wir von einer leidenschaftlichen Gewissheit besessen sein können, dass nicht nur die göttliche Liebe, sondern auch die menschliche Liebe das Verlorene wieder zum Leben erwecken kann. Menschen, die zutiefst heruntergekommen sind, Menschen, die uns hoffnungslos böse erscheinen, können erlöst werden, wenn ihnen die Opferliebe begegnet, und das Wort Opfer ist hier wesentlich, die Opferliebe Gottes und dieselbe Opferliebe in uns.

Bei diesem Kind ist es sofort passiert. In unserer Beziehung zueinander und zu den Menschen kann es Jahre dauern, Jahre geduldiger Liebe, Jahre, in denen wir uns selbst hingeben, aber auch ertragen, die unerträglichsten Dinge endlos ertragen. und am Ende steht dann die Erlösung. Es kann auf dieser Erde Erlösung geben in Form einer Person, die als hoffnungslos galt, jenseits aller Hilfe, und die sich zu ändern beginnt. Dann sehen wir ein Wunder und sind hocherfreut. Die Hoffnung wird vollständig und wirklich, Freude erfüllt unser Herz.

Es gibt aber auch eine andere Möglichkeit, wie diese Opferliebe Erlösung sein kann. Ein westlicher Theologe sagte zur Zeit des letzten Krieges, als die Gefühle tief und Schmerzen intensiv waren, dass das Leiden der Treffpunkt zwischen dem Bösen und der Menschheit sei. Leiden wird immer durch menschliches Tun verursacht oder menschliches Tun wendet sich davon ab und lindert es nicht. Und Leiden schneidet immer in die Seele oder in den Körper der Menschen. Aber wenn es geschehen ist, erlangt das Opfer die göttliche Macht, um zu vergeben und durch die Vergebung, wird das Böse rückgängig gemacht und diejenigen erlöst, die das Böse getan haben.

Lasst uns darüber nachdenken. Dieser Gedanke kam mir nicht beim Nachdenken, und in der Tat nicht aus meinem Leben. Ich empfand es immer als zu einfach, solche Worte auszusprechen. Nach dem Krieg wurde jedoch in einem der Konzentrationslager ein Dokument gefunden. Es wurde von einem Mann, der in diesem Lager starb, auf ein abgerissenes Stück Geschenkpapier geschrieben. Der Kern seiner Botschaft war ein Gebet, in welchem er sagte: Herr, wenn du als Richter auf Erden kommst, verurteile nicht die Menschen, die uns solche grausamen Dinge angetan haben. Halte ihnen nicht ihre Grausamkeit und unser Leiden, ihre Gewalt und unsere Verzweiflung vor, sondern betrachte die Früchte, die wir in Geduld, Demut, Standhaftigkeit, Vergebung, Treue und Solidarität gebracht haben. Mögen diese Früchte zu ihrer Rettung beitragen. Erlaube nicht, dass die Erinnerung an uns für sie zum ewigen Entsetzen wird. Möge es zu ihrer Erlösung werden.

Das ist auch Hoffnung jenseits der Hoffnung. Und für mich hängt es mit dem Gegensatz zwischen dem sündigen, dem falschen und dem blinden Wissen der Menschen im Haus zusammen. Sie lachen über Christus, sie wissen, dass das Kind tot ist, die Hoffnung ist überflüssig, es ist in Verzweiflung versunken. Der Sieg der Liebe und der Barmherzigkeit, der sich im Ereignis zeigt, aber auf der einfachsten und heldenhaftesten Ebene auf so viele Arten in unser persönliches Leben einwirken kann.

Denken wir also darüber nach und entscheiden wir uns für die Hoffnung jenseits der Hoffnung, für diese Liebe und diesen Glauben, die siegen werden. Amen.

18. November 1984

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