Predigt am Sonntag des Blindgeborenen

20. Mai 2023

Archimandrit Kirill Pawlow

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Liebe Brüder und Schwestern, heute wurde im Gottesdienst das Evangelium über die Heilung des Blindgeborenen durch unseren Herrn und Erlöser gelesen, und Sie haben gehört, wie der Herr, bewegt von einem Gefühl des Mitleids, sich eines von Geburt an Blinden erbarmte, und ihm durch seine allmächtige Kraft das Augenlicht schenkte. Seht, meine Lieben, wie liebevoll und barmherzig der Herr ist. Staunen Sie über Seine unermessliche und unaussprechliche Menschenfreundlichkeit und Barmherzigkeit.

Als Er vorbeiging, sah er einen Mann, der von Geburt an blind war. Dieser Mann wusste nicht und ahnte nicht, dass der göttliche Wundertäter, der ihm das Augenlicht gewähren konnte, an ihm vorbeiging, und deshalb schwieg er, bat nicht wie andere um Gnade. Der barmherzige Herr, der das Innerste und die Geheimnisse der menschlichen Seele kennt, näherte sich selbst dem unglücklichen Blinden und salbte seine Augen mit Spucke und gab ihm das Augenlicht. O große Barmherzigkeit Gottes! O unaussprechliche Liebe! Er wartet nicht auf die Bitten des Unglücklichen um Hilfe, sondern er selbst geht mit seiner Barmherzigkeit zu ihm und gewährt ihm Heilung.

Sie können sich vorstellen, liebe Brüder und Schwestern, wie schrecklich der Zustand der Blinden ist. Für sie ist alles vom ewigen Schleier der dunklen und undurchdringlichen Nacht bedeckt, sodass sie all jener Freuden, dieser hohen und reinen Wonnen beraubt sind, die das Sehen einem Menschen gibt. Schließlich ist das Sehvermögen ein kostbares Geschenk Gottes. Gibt es denn ein größeres Vergnügen, als die Schönheiten der Natur zu betrachten, besonders im Frühling, wenn alles zum Leben erwacht, wenn die Sonne so freundlich scheint und alles zärtlich erwärmt, wenn Felder, Wiesen und Wälder sich festlich mit einer frischen, prächtigen, bunten Hülle bekleiden?

Der unglückliche Blinde wird all dieser großen Freuden beraubt. Er kann die Sonne, die Sterne oder den Mond nicht sehen, um die Weisheit seines Schöpfers in ihnen zu betrachten. Dies ist der schreckliche Zustand des Blinden aus dem Evangelium, den der barmherzige Herr heilte und sein Augenlicht wiederherstellte.

Aber noch wichtiger ist die Tatsache, dass dieser Blinde nicht nur das Augenlicht bezüglich seiner physischen, sondern auch bezüglich seiner geistlichen Augen erhalten hat. O unaussprechliche Barmherzigkeit Gottes! Er glaubte an Jesus Christus als Sohn Gottes und Erlöser der Welt, zur Schande aller Weisen und Klugen unter den Juden, die nicht an den Herrn glaubten, trotz der vielen Wunder, die seine göttliche Allmacht deutlich bezeugten.

Aus der weiteren Erzählung des Evangeliums sehen wir, wie die Pharisäer auf dieses größte Wunder Gottes reagierten. Wut und Stolz verblendeten ihre Herzen so sehr, dass sie aufgrund ihrer Sturheit nicht nur nicht die Wahrheit erkennen und an ein vollkommenes Wunder glauben wollten, sondern sie begannen Jesus Christus noch mehr zu hassen und Ihn zu verleumden, als würde Er die Wunder durch die Macht der Dämonen wirken.

Und so wie es damals war, so ist es auch heute: die Menschen, die vom Schöpfer mit einer vernunftbegabten Seele ausgestattet worden und damit fähig sind, die Wahrheit zu erkennen, verweigern dies aufgrund ihres Stolzes, ihres Eigenwillens und ihrer Sturheit. Im Gegenteil sie arbeiten gegen ihren Verstand und ihr Gewissen, gegen Gott und gegen die Menschen, in dem sie in ihrer Unwissenheit wie seelenloses Vieh werden und die Wahrheit und Gerechtigkeit pervertieren. Das Wissen um die Wunder Jesu Christi, die guten Taten, die er den Menschen zuteilwerden ließ, das Hören seiner weisen, erlösenden Unterweisung und Lehre, das Sehen seines gerechten, heiligmäßigen Lebens, schrieben sie die Wunder dennoch der Macht von Dämonen zu, verdrehten die Bedeutung der Worte des Erlösers, lästerten ihn, nannten ihn einen Dämon, einen Schmeichler und Betrüger, und schließlich verurteilten sie Ihn, den Allerheiligsten, den Sohn Gottes, zum Tode und vollzogen an Ihm eine schändliche Hinrichtung.

Was für eine schreckliche geistliche Blindheit! Ist sie nicht jeden Ekel und jede bittere Träne wert? Schließlich ist jemand, der aufgrund von Stolz und Sturheit in der Seele blind ist, die unglücklichste Person, ein leichter Fang des Teufels, eine Ausgeburt der Hölle, durchdrungen vom Stolz und der Bosheit seines Vaters, des Teufels. Genau das ist die tödlichste aller Sünden, die Lästerung gegen den Heiligen Geist, wenn ein Mensch aus Stolz und Eigensinn die offensichtliche Wahrheit nicht glauben will, die durch so vielzählige, offensichtliche Wunder bewiesen wurde. Eine solche Vergebung gibt es weder in diesem noch im nächsten Leben.

Die Sünde verdunkelt die Augen unserer Seele – den Verstand, das Gewissen, das Herz – und blendet sie in einem solchen Ausmaß, dass eine Person, die sieht und doch nicht sieht, die hört, und doch nicht hört und nichts versteht.

So scheint es zum Beispiel, dass ein vernünftiger Mensch, der seinen Blick auf die Schönheit der Natur, auf die weise Anordnung der sichtbaren Welt, auf die wunderbare Ordnung des Universums richtet, in der Schöpfung nicht den Urheber, Gott, Schöpfer und Inbegriff der göttlichen Vorsehung erkennt? Als vernünftiger Mensch sollte er, der über sich selbst nachdenkt, über sein Gewissen, über seine Gedanken und Gefühle, über seine erhabenen Bestrebungen, die unsterbliche Seele nicht in sich selbst erkennen? Wie kann ein vernünftiger Mensch, der das Leben beobachtet, darin die Hand der göttlichen Vorsehung nicht erkennen? Und doch gab und gibt es Menschen, die an nichts glauben, sondern ihre eigene eingebildete, falsche Lehre erschaffen und nichts mehr wissen wollen.

Und was kann über die Blindheit gesagt werden, die entsteht, wenn wir unser Gewissen mit Lastern und Leidenschaften trüben? Diese Blindheit ist sehr vielschichtig und erreicht oft ein extremes Maß. Ein Mensch verwandelt sich in ein unsensibles Etwas, ohne Gnade und Mitgefühl für seinen Nächsten, ohne Liebe für seine Verwandten. Der Mensch verwandelt sich in ein Stück Vieh ohne jeden Verstand, wenn er der Trunkenheit, dem Geiz, der Habgier verfällt. Ein Mensch verliert sein Gewissen völlig, wenn er sich den Lastern des Diebstahls, der Täuschung und des Raubes hingibt ...

In allem müssen wir danach streben, das Handeln des Herrn nachzuahmen, wie es uns das Evangelium lehrt. Und gemäß dem heutigen Beispiel sollten wir den Erlöser nachahmen: An jedem Feiertag sollten wir Gutes tun. Aber neben den guten Taten sollten wir unsere Namen verstecken, um eine Glorifizierung zu vermeiden. Und darüber hinaus, nachdem wir gute Taten vollbracht haben, seien Sie nicht beleidigt, wenn wir dafür Vorwürfen, Beschimpfung und Verfolgung ausgesetzt sind. Unserer Nachahmung würdig ist der sehend gewordene Blinde als wahrhaftiger, standhafter und furchtloser Mensch. Für seine Standhaftigkeit im Bekennen der Wahrheit wurde ihm vom Herrn ein großes Geschenk gewährt: an ihn zu glauben als den wahren Sohn Gottes.

So, meine Lieben, möge der Herr uns vor körperlicher Blindheit und vor allem vor geistlicher Blindheit bewahren. Und dafür wollen wir uns vor den Lastern bewahren, vor Stolz, Eigenliebe, Dünkel, Bosheit, Neid, Eigensinn, Sturheit, Trunkenheit und Zügellosigkeit, Kleinmut und alles andere, was Gott entgegensteht, um erleuchtet vom Licht der Göttlichen Wahrheit, das nie endende ewige Leben zu erreichen. Amen.

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