Predigt über den Hl. Johannes den Täufer unseres Herrn Jesu Christi

6. July 2024

Hl. Johannes den Täufer

Predigt gehalten von Metropolit Antonij von Surosch im Jahre 1968 in der Kirche des Hl. Johannes des Vorläufers in Moskau

Ich möchte Ihnen auch ein paar Worte über den Heiligen sagen, der der Schutzheilige Ihrer Kirche ist.

Nach dem Zeugnis des Herrn war niemand, der auf Erden geboren wurde, so groß wie Johannes der Täufer. Und wenn man das Zeugnis des Evangeliums über ihn betrachtet, verschlägt es einem wirklich den Atem. Aber nicht nur der Geist ist atemberaubend: Man sieht in ihm das Bild eines Menschen, der sich seinem Gott und seiner irdischen Berufung so unendlich, so grenzenlos hingeben konnte und der für jeden von uns Beispiel und Vorbild sein kann, denn jeder von uns ist in gewissem Sinne in Bezug auf die anderen oft ein Vorläufer des Herrn, derjenige, den der Herr vor sich hergeschickt hat, um den Menschen das Wort und die Lebensweise zu bringen, die sie darauf vorbereiten, Christus zu verstehen, Christus anzunehmen. Und wenn wir durch unser Leben unser Zeugnis bloßstellen, wenn die Menschen aufhören, an unsere Worte und an die Worte Christi zu glauben, wenn sie uns ansehen, nehmen wir eine schreckliche Verantwortung auf uns. Wir leben nicht nur uns selbst zum Gericht, sondern wir führen auch noch andere nicht dorthin, wohin wir berufen sind, sie zu führen: zur Freude, zu jener Freude, die der Herr uns hinterlassen hat und die uns niemand nehmen kann, die aber auch niemand außer dem Herrn zu geben vermag.

Erinnern wir uns an einige der Ausdrücke, die Christus oder das Evangelium in Bezug auf Johannes den Täufer verwenden. Das Erste, was wir über ihn hören, ist, dass er die Stimme eines Rufers in der Wüste ist. Die Wüste ist nicht nur ein unbewohnter Ort, sie ist ein Ort der Leere; denn oft ist das menschliche Herz "leer"ebenso wie das menschliche Leben. Es gibt nicht nur keinen ewigen Inhalt, sondern es gibt überhaupt keinen Inhalt, mit dem man leben könnte. Und in dieser Hinsicht sind wir alle von einer menschlichen Wüste umgeben. Und in dieser Wüste sind wir aufgerufen, wie der Täufer, Zeugnis zu geben. Das Zeugnis Johannes des Täufers begann nicht mit Worten: Bevor er sich den Menschen zukehrte und predigte, bevor er von ihnen mit Autorität verlangte, dass sie sich ihrer Berufung des Menschenseins würdig erweisen, zog er sich selbst in die nackte, heiße Wüste zurück und war mit sich allein, ganz allein mit sich selbst vor den Augen Gottes.

Manchmal müssen auch wir in einer solchen Einsamkeit ausharren. Es passiert, wenn uns unsere Nächsten verlassen, wenn es um uns leer wird. Es gibt Zeiten, in denen wir von Krankheit betroffen sind, und dann fühlen wir uns, egal wie sehr man sich auch um uns sorgt, allein, weil wir Leben und Tod konfrontiert werden. Hier muss jeder Mensch für sich selbst die Frage nach Leben und Tod entscheiden, und nicht nur zeitlich begrenzt, sondern für de Ewigkeit. Manchmal grenzen wir uns ab, um zu sich selbst zu kommen, und dann erfahren wir, wie schwer es sein kann, mit sich allein zu bleiben, wenn wir dies nicht gewohnt sind. Wir bekommen Angst, denn dann tut sich unsere innere Leere vor unseren Augen auf, und in diese Leere, in diese Wüste müssen wir gehen. Es wird einsam sein, es wird leer sein, es wird schwierig sein, dort zu leben, aber nur wenn wir in dieser Wüste leben können, mit Gott allein, werden wir zu den Menschen zurückkehren können, ohne Gott zu verlieren, und fähig sein, nachdem wir uns selbst besiegt haben, alles zu besiegen.

Und so verbrachte Johannes über dreißig Jahre allein in der Wüste, kämpfte mit seinem Herzen, kämpfte mit seinem Leben, und ging hinaus, um zu predigen und wurde von Gott als der Größte bezeugt - aber nicht nur. Das Evangelium nennt ihn nicht einen Propheten, sondern eine STIMME. Er hat sich so sehr mit dem Willen Gottes identifiziert, so sehr mit dem lebensspendenden Wort verbunden, das er für das Heil der Menschen, für das Erwachen der Menschen, für das Leben, das in ihnen leuchtet, für die Freude, die in ihnen wiedergeboren wird, sprechen soll, dass er NUR eine Stimme ist. Es ist nicht mehr der Mensch, der spricht: es ist Gott, der mit seiner Stimme spricht. Das ist es, was die Heiligen gesagt haben. Einer der Asketen vom Berg Athos, der vor nicht allzu langer Zeit gestorben ist, sagte: Die Heiligen sprechen nicht aus sich selbst, sie sprechen aus Gott, und nur so …

Das Fest der Geburt Johannes des Täufers

Johannes lehnte alles Irdische ab, um ganz Gott zu gehören, aber der Herr holte ihn zurück auf diese Erde. Der Herr hat ihn nicht in der fernen Wüste zurückgelassen: Als Johannes untrennbar mit Ihm verbunden war, sandte der Herr ihn zu den Menschen, damit sie von dem Leben erfahren, das Johannes gelernt hatte. Und so stellt sich für jeden von uns die Frage: Gibt es eine Flamme in mir, die ich in einem anderen Menschen entfachen kann? Wo ist dieses Leben in mir? Wenn Menschen mir begegnen, leuchten sie dann auf? Wenn Menschen mich hören, erbebt dann ihr Herz - wie das Evangelium von den Emmaus-Jüngern erzählt, "brannte" nicht ihr Herz? Wenn die Menschen unser Leben sehen, sprechen sie dann von uns, wie sie es von den ersten Christen taten: Seht, wie sie einander lieben..... Wundern sie sich, wenn sie uns hören, wenn sie uns sehen, dass wir etwas haben, was sonst niemand hat? Und wenn wir das nicht haben, dann sind wir nicht den Weg des Vorläufers gegangen, wir sind nicht bereit, Christus zu den Menschen zu bringen, wir sind nicht einmal bereit, ihm den Weg zu ebnen, damit er irgendwie einen Weg für sich selbst findet. Aber wir sind dazu berufen, den Menschen die Freude zu bereiten, die Freude der Begegnung mit Gott, eine Freude, die niemals enden wird und die niemand jemals wegnehmen kann. Warum ist das so? Weil wir nach unseren eigenen Regeln, für uns selbst leben wollen, wir wollen uns nicht selbst aufgeben.

Und hier ist, was das Evangelium über Johannes den Täufer sagt. Der Täufer, der vor den Menschen bezeugt, wer er selbst ist, sagt: Ich muss abnehmen, ich muss schwächer werden, damit Er zu Seinem vollen Maß heranwachsen kann ... Johannes selbst ist nur der Wegbereiter; er muss die Tür öffnen und sich zurückziehen, damit die Menschen nie wieder an ihn denken, wenn sie plötzlich Christus sehen und in dieser Freude alles vergessen.

Weggehen, nachdem er den Weg des Herrn bereitet hat ... Wer von uns weiß, wie man das macht? Wer von uns, der die Seele eines Menschen zumindest mit einem freundlichen Wort belebt hat, möchte nicht in dieser Freude der gegenseitigen Gemeinschaft bleiben? Wer von uns, der ein lebensspendendes Wort gesprochen hat, manchmal unabsichtlich, wenn der Herr es uns schenkt, möchte nicht in Erinnerung bleiben und nie vergessen, dass er es war, der dieses Wort gesprochen hat?

Und auch der Täufer sagt von sich: Ich bin ein Freund des Bräutigams..... Was ist dieser Freund des Bräutigams? Sowohl in der jüdischen als auch in der heidnischen Antike hatte der Bräutigam einen Freund, der sich um alles kümmerte, was die Hochzeit betraf, und der, nachdem die Ehe vollzogen war, die Braut und den Bräutigam in die Ehekammer brachte, vor der Tür blieb und Wache hielt, damit niemand ihre tiefe, geheimnisvolle Begegnung in der wunderbaren Liebe der Ehe störte. Er war ein Freund, weil er es verstand, hinter der Tür zu bleiben, dahinter zu bleiben. Seine Freude wurde dadurch vollkommen, dass die Freude der Braut und des Bräutigams nun vollkommen war, dass sie miteinander allein gelassen wurden, und er war der Beschützer dieser Begegnung. Ich will auch sagen: Wer von uns weiß, wie man einem Anderen Freude machen kann? Man muss alles tun, um diese Freude zu verwirklichen, um sie in ewigem Licht erstrahlen zu lassen, und dann zurückzutreten, sie zu bewahren, sie zu schützen und hinter einer verschlossenen Tür vergessen zu sein?

Predigt am Fest der Geburt Johannes des Täufers

Hier ist ein weiteres Beispiel von ihm, das letzte. Seine Verdemütigung, seine Entäußerung bis ins Vergessen hat das Äußerste erreicht. Er wird für sein wahrhaftiges, ehrliches Wort ins Gefängnis gebracht. Christus dagegen blieb frei und predigte, die Jünger des Johannes sind nun auch zu Ihm gekommen. Er ist von Seinen Jüngern umgeben. Er hat das volle Maß seiner irdischen Berufung erreicht. Und Johannes weiß, dass der Tod über ihn hereinbricht, dass er nicht aus dem Gefängnis herauskommt, und plötzlich überkommen ihn Zweifel. Er, der am Ufer des Jordan vor allen bezeugt hat, wer der kommende Christus ist, schickt zwei seiner Jünger zu Christus, um ihn zu fragen: Bist Du der, den wir erwartet haben, oder sollen wir auf einen anderen warten? Oder: "Bist Du wirklich der, von dem ich Zeugnis abgelegt habe, oder habe ich mich geirrt?" Wenn er sich geirrt hat, hat er vergeblich seine Jugendjahre in der Wüste vergeudet, vergeblich ist er zu den Menschen hinausgegangen, vergeblich ist er jetzt im Gefängnis, vergeblich wird er sterben, ALLES war vergeblich. Vergeblich war dann auch das Zeugnis, das er für Christus abgelegt hat, und er wurde von Gott selbst betrogen ... Und die stärkste Seele, die je auf Erden war, zaudert. Aber Christus antwortet ihm NICHT. Er wollte ihm nicht die Fülle des Glaubensaktes und seines asketischen Ausharrens in Treue bis zum Ende nehmen. Zu seinen Jüngern, die ihn befragten, sagt er: “Sagt Johannes, was ihr seht: Blinde sehen, Lahme gehen, Armen verkündet man die Frohe Botschaft; selig ist, wer an Mir leinen Anstoß nimmt …” Worte, die einst, Jahrhunderte zuvor, vom Propheten Jesaja aufgeschrieben wurden. Und sie kehren mit diesen Worten zurück. Es bleibt Johannes überlassen, in sich zu gehen und sich die Frage zu stellen: Als er in der Wüste allein vor dem Angesicht Gottes war, war es echt oder eine innerliche Lüge? Als er aus der Wüste kam, um zu predigen, und die Menschen aufrüttelte, ihr Leben erneuerte, sie zum neuen Leben, zu einer neuen Sichtweise, zum geistlichen Frühling brachte - war dies die Wahrheit oder nicht? Als er Christus sah und in Ihm den, der kommen sollte - war dies die Wahrheit oder nicht? Und Johannes starb in Glauben und unbedingter Treue.

Wie oft kommt es vor, dass unsere Seele zögert, dass, nachdem wir alles getan haben, was wir tun sollten, ein gutes, wahrhaftiges Wort sagten, taten, was wir konnten, um einen anderen Menschen durch Freude aufleben zu lassen, die Seele aufzuerwecken und das frühlingshafte Leben der Ewigkeit zu beginnen, - plötzlich kommen Zweifel ... Die Seele ist müde, das Leben schwindet, unser Kopf hängt herunter ... War all das die Mühe wert? Ich sehe die Früchte nicht, ich weiß nicht, was geschehen wird, und ich habe so viel Glauben, so viel Liebe zerstört. War es das alles wert? Und der Herr antwortet uns nicht mit dem Zeugnis des "Erfolgs". Er sagt uns: Es reicht, dass alles wahr war, dass alles gut war, es genügt dir zu wissen, dass du getan hast, was du tun solltest. Das soll genügen.

Und so steht vor jedem von uns dieses Bild des Täufers. Jeder von uns ist zu jedem von uns und zu jedem anderen als Vorläufer gesandt, um ein solch reines Wort zu sprechen, das so frei von sich selbst, von Eigenliebe, Eitelkeit, von all dem, was jedes unserer Worte seicht, leer, unbedeutend, faul macht. Tun wir es mit der Bereitschaft, uns zu entäußern, nur damit aus diesem Menschen eine lebendige Person, eine "Braut" fürs ewige Leben erwachsen kann? Und wenn all dies geschehen ist, bin ich dann bereit, mit Freude zu sagen: "Ja, lass das Letzte geschehen, lass mich nicht in Erinnerung bleiben, lass den Bräutigam und die Braut zusammenkommen und lass mich hinabsteigen in den Tod, in die Vergessenheit, zurück ins Nichts." Sind wir dazu bereit? Wenn nicht, wie schwach ist unsere Liebe zu denen, die wir lieben! Und was können wir über diejenigen sagen, die uns so oft fremd oder gleichgültig sind?

Hl. Johannes den Täufer unseres Herrn Jesu Christi

Lasst uns immer häufiger auf dieses majestätische, aber dennoch menschliche Bild des Täufers blicken und lernen, wie ein echter, ganzheitlicher Mensch lebt, und lasst uns versuchen, wenigstens im Kleinen so zu leben, mit all unserer Kraft, auch wenn es nicht viel ist, bis zur Neige, bis zum letzten Tropfen unserer Lebenskraft. Amen.

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