Über die Geduld

2. April 2023

Archimandrit Kirill Pawlow

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!

Liebe Brüder und Schwestern,
Das Gebet des Hl. Ephraim des Syrers, das wir in der Großen Fastenzeit mehrmals täglich beten, beinhaltet der an den Herrn gerichteten siebenten Bitte, die Bitte um den Geist der Geduld.

Liebe Brüder und Schwestern, wir treffen auf nichts so häufig in unserem Leben, wie auf Unglück und Leid. Sorgen begleiten einen Menschen von der Geburt bis zum Tod, und es gibt keinen Menschen, der nicht mit Sorgen vertraut ist. Es gibt niemanden, der sagen könnte, dass er mit allem gesegnet und zufrieden ist. Entweder bedrückt uns Krankheit, oder uns betrübt der Tod von Menschen, die uns nahestehen, oder uns verfolgt menschlicher Neid und Hass, oder uns treffen unerwartet Naturkatastrophen und so weiter. Mit einem Wort, das menschliche Leben vergeht nicht ohne Kummer und Sorgen. Was sollen wir inmitten dieser Missgeschicke tun, um unversehrt zu bleiben, nicht besiegt zu werden, sondern siegreich zu sein?

Dafür müssen wir Geduld aufbringen. Es ist unmöglich, Unglück oder Leid ohne Geduld zu überstehen. Leid ist keine Sache von einer Minute, sondern im Gegenteil, meistens vergeht viel Zeit zwischen dem Beginn des Elends und seinem Ende, sodass wir, ob wir es wollen oder nicht, es einfach ertragen müssen. Wir müssen dieses Joch tragen, es annehmen und leiden.

Israels Weg in die Babylonische Gefangenschaft

Israels Weg in die Babylonische Gefangenschaft

Die Sphäre der Geduld muss sich auf das ganze Leben des Menschen und auf alle Schicksale der Menschheit in dieser Welt erstrecken. Mit Geduld erwirbt eine Person Segnungen und bewahrt diese, widersteht schadlos dem Angriff des Bösen. Wenn er die Geduld verliert, läuft er sofort Gefahr, das Gute zu verlieren oder, noch schlimmer, Böses zu tun. Ein Moment der Ungeduld kann Jahre und Jahrhunderte durcheinanderbringen. Die Heiligen Väter sagen, dass Geduld sogar im Paradies erforderlich war, wo es anscheinend nichts zu ertragen gab. Wenn die Urmutter Eva genug Geduld gehabt und nicht auf die verführerischen Reden des Versuchers reagiert hätte, hätte sie es auch unterlassen, die verbotene Frucht in Empfang zu nehmen. Dann wäre auch sehr wahrscheinlich, die sinnliche Anziehung gestoppt worden und die Wahrheit hätte über die Lüge gesiegt, die Sünde wäre nicht begangen worden und der Tod wäre nicht gefolgt. Die Geduld hat nicht ausgereicht, unsere Vorfahren fielen in Sünde und stürzten so die gesamte zukünftige Menschheit mit ihnen ins Verderben. Im Vergleich zum Paradies muss man auf Erden, wohin ein Mensch zu diesem Zweck auch gesandt wurde, noch mehr Geduld haben, um in Geduld seine Seele zu erwerben.

Der Gerechte Iob, der Leidendulder

Der Gerechte Iob, der Leidendulder

Wenn das oben erwähnte traurige Beispiel mangelnder Geduld für uns erschreckend ist, dann tröstet uns ein anderes lehrreiches Beispiel: die Geduld unseres Erlösers und seine wohltuenden Folgen für uns. Welche Leiden und Versuchungen musste der gerechte Hiob ertragen, und wie wahrhaftig und großzügig wurde seine Geduld belohnt! Welch schwere und langanhaltende Verfolgung musste David erdulden, und wie herrlich wurde seine Geduld belohnt! Welche verschiedenen Arten von Foltern, Qualen und Todesarten wurden absichtlich von den Feinden des Christentums erfunden, um die Geduld der christlichen Märtyrer zu erschüttern. Und wie wunderbarerweise wurde in ihrer Ohnmacht die Macht Gottes offenbart: durch das stille Ertragen der Marter, die plötzliche Heilung der Wunden oder durch den geistlichen Sieg, der die Peiniger selbst zu Christen machte.

Außer den Märtyrern haben eine große Anzahl von Asketen der Frömmigkeit ausdauernd und geduldig alles ertragen, in dem sie die Tage ihres harten Lebens mit Fasten und Wachen verbracht haben. Geduld stählte sie, erfüllte sie mit den Gaben des Heiligen Geistes. Ohne Geduld gibt es keine Askese, und ohne Askese gibt es keine Tugend, keine geistliche Gabe, keine Erlösung.

 Das Martyrium der Hll. Porphyrij, Julian und Theodulos

Das Martyrium der Hll. Porphyrij, Julian und Theodulos

Um leben zu können, muss man Geduld besitzen. Bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan; die Gewalttätigen reißen es an sich (Mt 11,12).

Wenn du nach dem Gebot Gottes vollkommene Liebe erlangen willst, mit der du sogar deine Feinde lieben würdest, überlege, wie du diese erreichen kannst. Bei Menschen begegnen wir oft Mängeln, Lastern, manchmal Selbsthass; und dies führt zu Respektlosigkeit gegenüber Menschen, zu Ekel vor ihnen, zu gegenseitigem Hass und nicht zu Liebe. Wie kann man Liebe zu allen erlangen? Wenn du fest entschlossen bist und du dir aneignest, mit Geduld auf die Mängel und Laster der Menschen zu schauen, aber mit dem gleichen Hass auf dich selbst, dann wirst du alle lieben können, ohne aufzuhören, die Laster zu hassen. Aber ohne Geduld kann dies nicht erworben werden.

Willst du christlichen Gehorsam gegenüber allen erlangen? Wie kann man dies erreichen? Es ist unvermeidlich, dass dir etwas aufgetragen wird, was dir nicht gefällt, was du nicht willst oder was lästig und verletzend für deinen Stolz ist. Aber um das alles widerstandslos, ohne Murren zu erfüllen, dafür braucht es Geduld.

Wenn du also Geduld hast, kannst du auch Gehorsam erlernen, aber ohne Geduld nicht. Ebenso erfordert jede Tugend Entbehrungen, Arbeit, Anstrengung, Kampf gegen Leidenschaften, Begierden, Versuchungen, die nicht immer leicht und bald vom Sieg gekrönt sind, und folglich Geduld erfordern. Wenn die Geduld erschüttert wird, wird eine andere Tugend keinen Bestand haben. Und da die Tugend die Aufgabe allen Lebens ist, so ist Geduld die Notwendigkeit allen Lebens bis zu seinem Ende.

Die Ermordung der Hl. Elisabeth Feodorowna

Die Ermordung der Hl. Elisabeth Feodorowna

Also, liebe Brüder und Schwestern, lasst uns alles geduldig ertragen, das Große wie das Kleine, mit Glauben und Hoffnung, alles Unglück als Strafe und zugleich als Erbarmen Gottes annehmen. Lasst uns mit Geduld die vor uns liegende asketische Anstrengung weiterführen, indem wir “auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens” (Hebr 12,1), und mit Geduld lasst es uns zu Ende bringen, denn “wer bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet.” (Mt 10,22)

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