Eine schwerkranke Frau wurde in das Krankenhaus des Marta-Maria-Klosters der Barmherzigkeit gebracht. Sie war die Frau eines einfachen Arbeiters, eines grobschlächtigen Mannes, Atheist und dem Königshaus gegenüber sehr feindlich eingestellt. Dieser Mann, der in einer Fabrik arbeitete und mit revolutionärer Propaganda übersättigt war, hasste das russische Staatssystem und war der Meinung, dass alle Mitglieder des Hauses Romanow nur auf ihr eigenes Wohl bedacht waren. Er hatte jene falschen Gerüchte über die Großfürstin gehört, die sie als eine arrogante und egoistische Frau darstellten, die nur an sich selbst dachte.
Die Frau des Arbeiters war eine lange Zeit im Marta-Maria-Kloster untergebracht. Sie litt offensichtlich an einer unheilbaren Krankheit, vermutlich Krebs.
Ihr Mann besuchte sie täglich. Zu seiner Überraschung sah er, mit welcher Sorgfalt und Aufmerksamkeit seine Frau dort behandelt wurde. Besonders interessierte er sich für eine der Krankenschwestern, die sehr freundlich zu ihr war. Er sah sie an ihrem Bett sitzen, wie sie seine Frau streichelte, ihr tröstende Worte sagte, ihr Medikamente gab und Süßigkeiten brachte, um sie zu erfreuen. Ebenso beobachtete er, wie sie auch zu den anderen Patienten ging und ihnen vorschlug, die Heilige Kommunion zu empfangen. Sie bot auch seiner Frau die Beichte und die Kommunion an, was diese auch annahm.
Als die Patientin im Sterben lag, wachte diese Schwester die ganze Nacht am Bett und versuchte ihr Bestes, um ihr Leiden zu lindern.
Am nächsten Morgen war die Frau verstorben. Dieselbe Schwester wusch und bekleidete sie mithilfe der anderen Schwestern des Klosters. Dann kam der Priester und der erste Trauergottesdienst für die eben Verstorbenen wurde zelebriert.
All dies traf das harte Herz des Ehemanns der Verstorbenen so sehr, dass er es nicht ertragen konnte und er zu weinen begann. Dann wollte er wissen, wer diese besondere Schwester war, die sich so gut um seine Frau gekümmert hatte. Dem Arbeiter wurde klar, dass auch die eigene Mutter sich nicht besser hätte um die kranke Frau kümmern können, und so fragte er: "Wer ist diese Schwester?"
Als er erfuhr, dass es sich um die Vorsteherin des Klosters selbst, die Großfürstin, handelte, weinte er wie ein Kind und eilte zu Elisabeth Feodorowna, um sich bei ihr zu bedanken und sie um Verzeihung zu bitten, weil er sie, obwohl er sie nicht kannte, so sehr gehasst hatte und weil er unter seinen Gefährten unflätige Worte gebraucht hatte.
Quelle: Kurzgeschichten über das Wesentliche. Orthodoxer Kalender 2017. - Minsk: Kloster der Hl. Elisabeth, 2016