Wir müssen uns verändern und wieder Kinder werden

10. Februar 2023

Vater Andrej predigt

Interview mit Erzpriester Andrej Lemeschonok

Auf dieser Erde, in dieser vergänglichen Welt suchen wir häufig etwas, von dem wir selbst nicht wissen, was. Wir irren und fürchten uns, verurteilen, murren … Unsere Seele erlebt viele verschiedene Zustände. Es ist gut, wenn diese Zustände keinen Platz in unserem Herz finden und schnell vergehen. Aber oft geschieht das Gegenteil: Die Sünde beginnt uns zu beherrschen, verdeckt uns das Licht. Und wenn man nicht rechtzeitig Gott um Vergebung bittet, kann man den Verstand verlieren. Was ist aber der Verstand? Wer ist klug und wer ist verrückt? Wann benehmen wir uns richtig – wenn wir laut lachen oder wenn wir weinen? Das sind keine einfachen Fragen. Wir wollen versuchen sie mit dem Geistlichen Vater des Klosters der Hl. Elisabeth Erzpriester Andrej Lemeschonok zu beantworten.

Vater Andrej, was ist „die andere Welt“?

Die andere Welt ist das Paradies, welches der Mensch verlor, als er sich von Gott trennte. Die Kirche, das Gotteshaus, ist der Himmel auf Erden. Wir können sagen, dass das Gotteshaus die andere Welt darstellt. Wenn der Mensch zum Tempel Gottes wird, so ändert sich auch sein aus der Erde genommener Leib. Schaut auf die Heiligen! Gottes Gnade, die Quelle des Lebens, durchtränkte ihre Körper. Wir verehren ihre heiligen Reliquien, denn sie sind von Gottes Liebe erfüllt, die nicht stirbt. Die andere Welt ist die Welt, wo es keinen Tod, keine Sünde gibt, wo Gott herrscht und alles von Seinem Segen durchdrungen ist.

Wer lebt in dieser Welt nach den Gesetzen der „anderen Welt“?

Ich denke, jeder Mensch berührt diese „andere Welt“ zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einer bestimmten Periode seines Lebens. Die Menschen, die Gott suchen, suchen auch diese Welt, das Fundament, worauf das ewige Leben gebaut werden kann. Dort gibt es keine Krankheiten, keine Nöte, kein Seufzen, Gott ist alles in Allem. Hier kämpfen wir gegen uns selbst, gegen diese Welt, gegen diese vergängliche Welt, die uns an sich zieht, die uns den Himmel verschließt und uns voneinander trennt. Hier wandeln wir im Schatten der Sünde. Leider leben viele Menschen so und stellen sich nicht vor, dass es etwas anderes gibt: eine andere Welt, ein anderes Leben, andere Ziele und andere Werte. Sicher findet es ein Christ, denn Gott findet ihn und offenbart es ihm. Danach muss der Mensch selbst dafür kämpfen, hart arbeiten, nicht abweichen, nicht der Menschenmenge folgen, die auch breite Wege wählen kann.

Sie haben große Erfahrungen in der geistlichen Führung von Menschen, die in den psychoneurologischen Internaten untergebracht sind. Worin sehen Sie die „andere Welt“ in ihrem Leben?

Als ich zum ersten Mal ins Internat kam, fiel mir etwas Besonderes auf. Man atmete dort anders, man hörte und sah anders. Man war in einer anderen Dimension. Ich verstand damals, dass die Menschen dort nicht hinterlistig sind. Auch dort gibt es Sünde, aber sie ist von der Art, wie sie Kindern zu eigen ist. Ein Kind kann auch launisch sein, aber es hat keine Schlauheit, keine Arglist, es speichert nicht das Sündhafte in sich, es verzeiht schnell, geht und spielt weiter. Ein Kind lebt nicht mit der Sünde. Bei den Erwachsenen aber ist das Herz hart geworden, die Sünde erfüllte es. Mit unseren eigenen Kräften können wir unsere Leidenschaften nicht besiegen, wir brauchen Hilfe, wir brauchen die Heilige Kirche, wir brauchen Liebe, die es ermöglicht, dass wir aufatmen, uns wenigstens für eine Minute von unserem Ego trennen und die „andere Welt“ aufsuchen. Dies ist wahrscheinlich das wichtigste.

Beim Gottesdienst

 Beim Gottesdienst

Wie sprechen diese Menschen der „anderen Welt“ mit Gott?

Wie die Kinder – einfach. Ihrer Entwicklung nach gleichen viele von ihnen 5-7-jährigen Kindern. Die Probleme, die auf Erwachsenen lasten, bewegen sie nicht. Ihr Benehmen kann grob sein, wir dürfen die Internatsbewohner nicht idealisieren, es geht um kranke Menschen, aber ihre Krankheit hat sie gewissermaßen konserviert, sie vor dieser Welt verborgen. Die Internatsmauern wurden ihre Zuflucht. Sie leben ein anderes Leben. Dies bewahrt ihre Seelen vor der Verletzung durch die Sünde.

Den Leuten erscheint das verrückt zu sein, sie halten sie für unglückliche Menschen. Aber vor Gott sind sie die ersten. Wenn sie glauben, so glauben sie aufrichtig, ohne zu analysieren, ohne lange zu überlegen, ohne darüber nachzudenken, was „normale“ Menschen machen, die sich immer irren, sich mit Zweifeln quälen, immer unter einer gewissen Anspannung leben, die nicht von Gott kommt. Das ist menschlich, aber vergänglich, das ist kein echtes Leben. Umso zu sein, wie die kranken Menschen, brauchen wir Heiligkeit. Wir müssen uns einer Veränderung unterziehen und wieder Kinder werden. Aber nicht durch Einfachheit und künstliche Schlichtheit, sondern durch seelische und gedankliche Anstrengung. Wir denken, kämpfen, suchen Gott. Durch die Erkenntnis dieser Welt verstehen wir, was wir verloren haben, erwachsen geworden, ziehen wir in das ferne Land, wo uns diese Welt, in der wir leben, uns für immer zu begraben versucht, indem die Welt Gottes und wir einander vor uns verborgen werden. Wenn aber Gott in einem Menschen ist, wird der Mensch ganz unkompliziert.

Wie kann man das lernen?

Ich denke, lernen sollen wir unser Leben lang. Gott existiert als unser Arzt, Helfer und Lehrer. Es gibt Seine Liebe, die uns hilft, die Anziehungskraft dieser Welt zu überwinden und alle Probleme zu lösen, weil in Gott die Fülle des Lebens ist. Man kann nicht behaupten, dass die Menschen vor dem Sündenfall Philosophen und Weise waren. Aber sie lebten in Gott, und darin war die ganze Fülle des Lebens, die sie verloren haben. Leider waren sie auf diese Einfachheit, Reinheit und Wahrheit des Lebens nicht vorbereitet. Um dahin zurückzukehren, mussten viele Generationen vergehen, in denen viele Menschen litten und ohne Hoffnung gestorben sind.

Freude über die Begegnung

Freude über die Begegnung

Manche sagen: «Abnormale, Geistesgestörte haben es leichter». Was können Sie dazu sagen?

Da ist es schwer zu verstehen, wer normal, wer nicht normal ist. Ich denke, ein gläubiger Mensch hat mindestens eine Minute erlebt, wo er richtig gelebt hat. Wenn es diese Minute nicht gab, gab es kein Leben, kein echtes Leben. Das heißt, wir sind noch in unseren Illusionen gefangen. Es gibt viele Menschen, die immer so leben. Nicht deshalb, weil Gott sich ihnen gegenüber anders verhält, sondern weil sie nichts anderes brauchen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt konnte ihre Seele nicht reagieren, bemerkte die Schönheit nicht, versteckte sich, der Mensch war kleinmütig, weil die Nähe zu Gott Leiden mit sich bringt. Nur wenige wollen das Leben der Heiligen kosten, die litten, große Taten vollbrachten, beständig um die andere Welt kämpften. Die meisten ziehen diese Welt und das Schweinefutter, das ihnen diese Welt bietet, vor.
— Willst du Tag und Nacht im Gebet stehen, für Christus leiden, für Ihn sterben?
— Nein.
— Ich glaube, aber ich bin kein Fanatiker. Das ist nichts für mich. Das Niveau meines christlichen Glaubens ist — eine Kerze in der Kirche aufzustellen, einen Fürbittzettel zu schreiben, einmal während der Fastenzeit die Hl. Kommunion zu empfangen. Ich bin ein einfacher Mensch …

Früher war man sowjetisch, jetzt weiß keiner, was man ist, aber man gehört dieser Welt an. Aber wenn man sich Gott nähert, dann kann er schon nicht mehr wie die anderen leben. Man beginnt zu verstehen, dass es ein anderes Leben gibt, eine andere „Welt“. Man braucht nicht wie ein Maulwurf in den irdischen Angelegenheiten und Problemen herumzuwühlen. Es gibt sie halt, aber was sagt der Herr? Sucht aber zuerst sein Reich und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben. (Мt 6,33). Was macht die Kirche? Sie sagt: Erhebet die Herzen! Sie versucht, den Menschen über diese Müllkippe zu heben, wo der Mensch versucht, etwas zu finden. Die Menschen halten sich für stark, reich, klug, aber in Wirklichkeit ist dieses Leben ein großer Müllhaufen. Der König ist nackt! Aber alle klatschen und sagen: «Alles ist ausgezeichnet, gut!» Ist das etwa kein Spektakel? Ist das etwa kein Irrenhaus, in dem der Mensch wohnt? Aber das ist normal, so leben alle! Und so lehrt man es seit Generationen, deshalb ist es so schwer, oft unmöglich sich aus dieser Welt loszureißen. Aber Gott gibt seine Gnade, die den Menschen bewegt, und der Mensch befreit sich. Anders können wir uns auch nicht losreißen. Die Sünde wohnt in mir, in jeder Zelle, die Sünde wurde mir beigebracht, die Sünde war mein Lehrer, diese Welt lehrte mich. Wie kann ich leben?

Man muss Buße tun …

Echte Buße ist eine Wende, eine innere Wende, die Änderung des Lebens, wenn der Mensch anders wird.

In solchen Augenblicken will die Seele Gott danken. Wie? Was kann der Mensch dem Herrn schenken?

Gott, schaffe in mir, ein reines Herz… Alles, was Gott dem Menschen gibt, hat er ihm geschenkt. Der Mensch selbst hat nichts. Er hat kein Hemd auf dem Leibe. Nicht jeder versteht, dass die Nächstenliebe von Gott kommt, dass der Glaube sein Geschenk ist. Demut und Geduld sind auch Gottes Gaben. Von sich selbst kann Der Mensch selbst kann nur sein „Ich“ verschenken, das keiner braucht. Was können wir noch geben? Unser Herz. In welchem Zustand ist es? Gott gibt uns, aber wir verlieren. Wir danken nicht. Wir kämpfen gegen Gott, streiten mit ihm, beweisen ihm etwas. Und Gott demütigt sich, weil er uns liebt. Wir wollen, dass man uns liebt, dass Gott uns beschenkt: «Herr, hilf mir, ich will dies und jenes…» Man hört selten: «Herr, nimm mein Leben und mach aus mir, was du willst. Verlasse mich nur nicht.» Man hört praktisch nicht, wie die Menschen sagen: «Ich bin dem Herrn so dankbar für alles, ich bin so glücklich, dass ich zu ihm gekommen bin!» Hunderte von Menschen kommen und murren: «Alles ist falsch, alles ist schlecht». Alles ist verkehrt in dieser Welt, durch die Sünde. Der Mensch sieht es aber nicht, weil er selbst ein Teil dieser Welt, dieses sündhaften Lebens ist. Er will seine Augen nicht aufmachen. Sonst wird man dich für einen Idioten halten. Wie in Dostojewskis Buch «Der Idiot». Dieser Mensch sagt normale Sachen, aber für alle war er ein Idiot. Unser Leben ist auch so. Man kann das Christentum als Ansammlung von Traditionen betrachten, aber man kann es auch als neues Leben, als andere Welt betrachten. In dem letzteren Fall wirst du aber überflüssig für diese Welt sein, die Welt wird dich nicht annehmen, sie wird gegen dich kämpfen. Man zweifelt, ob es sich lohnt zu kämpfen, vielleicht geht es auch so. Alle sagen Grobheiten, ich auch. Keiner weiß, woran ich denke. Aber der gläubige Mensch leidet wegen jeden Gedankens. Wie wird man den sündhaften Gedanken los? Das führt zu Spannungen und diese Spannungen nehmen zu. Das ist nicht leicht. Aber der Mensch kann schon nicht anders leben.

Eine Kerze anzünden

Eine Kerze anzünden

Gott gibt uns alles – seine Liebe, seine Schönheit. In der Kirche ist alles schön. Alles, was von Gottes Geist beseelt ist, besitzt Ewigkeitscharakter. Lass uns unser Leben mit dem Heiligen Geist erfüllen. Nur nicht nachlassen! Wenn wir kleinmütig werden und uns selbst schonen, kommen wir nicht vom Fleck. Lasst uns auf Ostern hoffen!

31.05.2013

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