Am Weihnachtsfest erlebten wir ein kleines Wunder. Darüber möchten wir im folgenden erzählen.
Unser Kloster befindet sich in der Nähe von Internaten, in denen Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Beeinträchtigungen leben. Seit 1996 besuchten die Geistlichen, Schwestern und Brüder der Barmherzigkeit und Nonnen des Klosters diese Menschen. Sie feierten mit ihnen verschiedene Gottesdienste, z. B. Dankgottesdienste, Akafist oder die Göttliche Liturgie. Sie halfen sie auf die Beichte und die Heilige Kommunion vorzubereiten.
Sie führten kulturelle Veranstaltungen und Aktivitäten durch oder schenkten diesen Menschen einfach ihre Liebe und Wärme.
Während dieser langen Zeit wuchsen viele Freundschaften und alle wurden zu einer großen Familie. Aber jetzt sind die Internate auf Grund der Pandemie schon seit zwei Jahre geschlossen.
Um unseren Dienst nicht aufzugeben, unternehmen wir jeden Donnerstag eine Prozession um die Internate und Krankenhäuser. Wir beginnen mit dem Akafist vor der Gottesmutterikone “Der unerschöpfliche Kelch”, danach laufen wir um das Territorium des Klosters und des Klinikums. Diese Prozession dauert ungefähr eine Stunde, wobei ein Dank- und Bittgottesdienst zu unseren Schutzheiligen des Klosters sowie der Schwesternschaft gebetet wird.
Am Ersten Weihnachtsfeiertag, nach der feierlichen Großen Vesper, haben wir auch solch eine Prozession durchgeführt. Aus Anlass des Festes erhielten wir die Erlaubnis, das Territorium der Internate zu betreten und die Segnung der Häuser mit Weihwasser vorzunehmen. Wir konnten wieder unsere Freunde durch die Fenster sehen. Dies war eine riesige Freude für uns.
Ihre Eindrücke von dieser Prozession möchten einige Brüder und Schwestern der Barmherzigkeit, die seit vielen Jahren die Bewohner des psychoneurologischen Internats für Erwachsene besuchen, nun gern mit Ihnen teilen.
Bruder Nikolaj Storoschenko: Schon zwei Jahre lässt man uns nicht zu unserem Gehorsamsdienst, der seelsorglichen Betreuung, ins Internat. Aber das Leben geht seinen Gang. Wir gehen in die Gottesdienste, auf Arbeit, wir mühen uns ab, aber eine geistliche Grundlage und eine Lebensessenz haben wir verloren. Inzwischen haben wir uns schon daran gewöhnt, doch während der Prozession und insbesondere innerhalb der Mauern des “heimischen” Internats, fühlt es sich das Alles ganz anders an.
Schwester der Barmherzigkeit Elena Turkowa: Vor zwei Jahren, als die Pandemie begann, erwartete niemand, dass es so lange dauern würde. Wir dachten nicht daran, dass wir so etwas Heiliges, wie unseren Dienst im Internat, verlieren könnten. Um so mehr wir nicht vermuteten, dass sie uns geistlich gestärkt hat und Kräfte gab, um zu leben, mit der Sünde zu kämpfen, lieben und sich sorgen zu lernen.
Bruder Nikolaj Storoschenko: Im Internat existiert ein Gefühl von Gemeinschaft, denn in all den Jahren sind wir allen Brüdern und Schwestern sehr nahe gekommen, wurden zu einer Familie. Mit diesen Menschen gehst du zum Gottesdienst und erhältst die Heiligen Gaben aus ein und demselben Kelch. Eine gemeinsame Aufgabe schweißt viel stärker zusammen.
Die Schwester der Barmherzigkeit Jelena Turkowa: Als wir das alles verloren haben, begriffen wir, welch großer Verlust dies sowohl für uns wie auch für unsere Brüder und Schwestern im Internat ist. Sie rufen uns ständig an, schreiben und teilen uns mit, dass sie genauso leiden wie wir. Und in diesem Jahr zu Weihnachten nun durften wir wieder das Territorium des Internats betreten, die Glocken durften läuten, um die freudenvolle Botschaft von der Geburt Jesu Christi zu verkünden, und um wenigstens aus der Ferne unsere Freunde zu erblicken. Wir durften sie nur hinter den Fenstern sehen, ein direkter Kontakt war untersagt wurden. Da ich als erste ankam, um die Glocken nach draußen zu bringen, saßen unsere Freunde schon am Fenster und warteten. Sie winkten mit den Händen und klopften an die Scheiben. Die Seele freute sich, aber unter Tränen.
Schwester der Barmherzigkeit Olga Storoschenko: Dies war ein regelrechtes geistiges Atemholen, sogar als du einfach auf dem Gelände des Internats standest, wo du deinen Dienst getan hast. Die Freude erfüllte mich voll und ganz. Solch eine Freude verspürst du im alltäglichen Leben selten, selbst an solchen Feiertagen wie Neujahr- Na ja, an Neujahr haben wir Zeit mit der Familie verbracht, waren Eislaufen - herrlich! Aber hier war es einfach eine unbeschreibliche Freude, die beflügelt.
Bruder Nikolaj Storoschenko: Die Freude solch großer Feiertage, wie Ostern, Weihnachten, Taufe des Herrn hat sich in vollem Maße im Internat widergespiegelt, und du hast diese Freude geteilt. In den Sakramenten, in den Gottesdiensten erhältst du diese Freude, aber hier im Internat kannst du sie teilen. Es stimmt doch: wenn du mit jemandem Freude teilst, dann vergrößert sie sich.
Es hat uns in Bezug auf unser Familienleben einiges gekostet, auf das Gelände des Internats zu gelangen und bekannte Gesichter zu sehen. Das ist uns teuer! Die Hoffnung war nicht so groß, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Aber einfach auf dem selben Flecken Erde zu stehen wie diese Menschen, darauf herumzulaufen, ist schon eine Art Weihe. Einerseits sind wir gemeinsam (die Schwesternschaft) von der Kirche aus losgegangen, um die Internate zu weihen (Haussegnungen durchzuführen). Und andererseits sind da diese dankbaren Menschen im Internat, die uns segnen und unserem Leben einen Sinn geben.
Und schon als wir dorthin gelaufen sind,begegnete uns bekanntes Wachpersonal, bekannte Gebäude und dann wurde es bereits dunkel. Du schaust und entdeckst bekannte Umrisse in den Fenstern. Du weißt nicht, wer das ist, du beginnst einfach zu winken und man winkt zurück. Irgendwann beginnst du zu verstehen, dass es völlig unwichtig ist, wer genau es ist. Es ist einfach jene verwandte Seele, die vor zwei Jahren mit dir in der Kirche stand und mit der du gemeinsam die Kommunion empfangen hast. Und das ist so großartig!
Aber dennoch hat der Herr es möglich gemacht, die Menschen zu sehen, die ich am meisten vermisst habe, an die ich öfter im Gebet gedacht habe. Auch darin kann man die Vorsehung Gottes sehen. Es gibt eine Bewohnerin im Internat, Nadeschda. Sie erinnerte sich an unsere Tochter, als sie zwei Jahre alt war. Sie war so davon angetan, dass die Kleine ins Internat zu Besuch kam, dass sie sich daran die ganze Zeit erinnerte. Zufällig war sie es, die am Fenster stand. Ich rief ihr zu: „Schau, Nadja, wir sind mit Wasilissa extra zu dir gekommen.“ Und sie brach nicht einfach in Tränen aus, sie weinte vor Dankbarkeit. Hier verstehst du natürlich, dass dies nicht dein Tun ist, dass dies Gottes Handeln an ihr ist. Gott hat sie dadurch berührt. Das auch uns so ein Gefühl des Sieges! Pandemie, Beschränkungen, Masken… Selbst ein Zusammensein war unmöglich, aber dennoch gibt es in Christus immer einen Sieg, selbst unter den schwierigsten Umständen.
Schwester der Barmherzigkeit Jelena Turkowa: Ich möchte noch folgendes anmerken. Ich hatte gerade das Territorium des Internats betreten, wir haben das Glockengeläut aus der Kapelle vor das Gebäude herausgerollt und fingen an zu läuten, da habe ich beschlossen, die Gebäude entlang zu laufen. Vielleicht entdecke ich ja jemanden, den ich kenne, hinter den Fenstern. Also laufe ich, alle kommen ans Fenster, winken, viele segnen, schicken Küsse. Das heißt, trotz aller Umstände blieb die Verbindung zwischen uns auf eine unverständliche Weise erhalten. Schließlich sind das Menschen aus einem neuropsychiatrischen Internat vor allem mit geistigen Behinderungen, die könnten uns einfach vergessen. Aber der Herr zeigt durch sie, dass nichts vergessen ist. Die gemeinsam verbrachten Stunden haben uns zusammengeschweißt, so dass die grenzenlose göttliche Liebe sichtbar wurde, der man selten in dieser Welt begegnet. Wir sind im Allgemeinen verwöhnte Menschen. Wir sehen oft unsere Verwandten und Freunde, aber diese Menschen haben wir seit zwei Jahren nicht mehr getroffen. Und wenn man dann diese Gesichter sieht, vertraute Gesichter, kommt es dir vor, als wären diese zwei Jahre nicht passiert. Du findest dich in dem Moment wieder, als du neben ihnen standtest, als sie dich umarmen, mit dir reden konnten. So können wir in Gott räumlich so weit entfernt, aber dennoch ganz nah sein! Viele Bewohner weinten. Auch wir, die Schwestern der Barmherzigkeit, die ohne ihren Gehorsamsdienst, ohne die Kommunikation mit den Bewohnern des Internats sehr traurig sind, weinten.Auch mir stiegen die Tränen auf. Aber der Herr machte es möglich und die Internatsleitung ließ uns ausgerechnet zu Weihnachten auf das Gelände. An diesem Tag strahlte ein Stern für uns auf.
Schwester der Barmherzigkeit Olga Storoschenko: Da waren unsere Schwestern und Brüder, die im Internat arbeiten, und Leute, die zum ersten Mal dabei waren. Sie am Tag der Geburt Christi an der festlichen Vesper im Kloster teilgenommen und schlossen sich danach unserer Prozession an. Sie hatten noch nie zuvor von dem Internat gehört. Ihre Gesichter strahlten plötzlich, als diese Typen an den Fenstern stehen sahen, wie sie lächeln, winken, klopfen und alle lauthals begrüßen. Sie haben so viel Liebe in diesen Menschen gespürt!
Schwester der Barmherzigkeit Jelena Turkowa: Und wir – Olja, Kolja und ich – haben einen gemeinsamen Freund Francis, er stammt aus England und ist Protestant. Francis war noch nie an solchen Orten gewesen und hatte noch nie solche Menschen gesehen. Russisch spricht er auch nicht. Als er uns besucht hat, das war schon vor der Pandemie, hat viel mit den Heimbewohnern kommuniziert und viel Zeit mit ihnen verbracht. Dann teilte er uns seine Eindrücke mit: „So viel Liebe und Wärme habe ich noch nirgendwo anders erlebt.“ Aber Francis ist wirklich ständig auf Reisen, er war an vielen Orten und hat vieles gesehen und erlebt.
Schwester der Barmherzigkeit Olga Storoschenko: Dennoch hinterließ unsere Prozession eine geheimnisvolle Spur, etwas Mystisches, „Himmlisches“. Sie ist wie ein Strahl in einem dunklen Reich, der sich dort abbildet, wo du gehst. Dieser Strahl kommt von oben, von Gott.
Schwester der Barmherzigkeit Jelena Turkowa: Ich würde sogar sagen, dass es wie eine Rüstung, wie ein Schild für uns ist. Du gehst los und um dich herum bilden all diese Menschen ein Schild. Schließlich gehören so viele Heilige dazu! Das erstaunt und beeindruckt sogar einen Ungläubigen.Und Menschen, die uns unterwegs begegnet sind, betrachteten diese Prozession mit Interesse, weil aus ihr wirklich eine Kraft ausging. Nun, in diesem Fall war es die Kraft von Weihnachten. Und wie Olja sagte, dies war ein Sieg.
Auch Sie können ein Helfer für unsere wunderbaren Freunde werden. Ihr Gebet unterstützt sie und uns in unserem Dienst an den Kranken, Einsamen, Verlassenen.
Wenn Sie jedoch die Möglichkeit haben, uns auch materiell und finanziell zu helfen, um kleine Geschenke, Bastelmaterialien und Süßigkeiten für die in den neuropsychiatrischen Internaten für Kinder und Erwachsene lebenden Bewohner zu kaufen, dann nutzen Sie unsere Spenden - Rubrik. Vielen Dank für Ihre Hilfe!