Kapitel 6: Wir sollen leben Teil 53

08 April 2025

Das Buch von Erzpriester Andrej Lemeschonok

Später wird es schwieriger sein

Wahrscheinlich kennt jeder diese Stimmung: Wir sind sehr müde und lassen uns gehen, wir bemitleiden uns selbst und unternehmen keine Anstrengungen. Aber dann wird es doppelt so schwer, sie zu tun.

Und wenn wir nicht rechtzeitig aufstehen und die Sünde nicht abschütteln, dann wird die Sünde zur Norm unseres Lebens, und wir leiden nicht darunter, unser Gewissen quält uns nicht mehr. Der Mensch sagt: „Mein Gewissen macht mir keine Vorwürfe. Ich sündige, und es geht mir gut, also ist die Sünde nicht so schlimm.“ Aber ist dieser Friede des Geistes gut? Ist es der Friede, den Gott uns schenkt? Oder ist es die Abstumpfung unserer Seele? Sie hat sich an den Schmerz gewöhnt, und die Sünde hat aufgehört, sie zu stören.

Für einen Verbrecher, der ein Verbrechen nicht zum ersten, sondern zum zweiten oder zehnten Mal begeht, wird es zur Gewohnheit, zur Norm seines Lebens. Es ist so schrecklich, wenn wir uns an die Sünde gewöhnen. Wenn also die Seele schmerzt, wenn die Seele leidet, bedeutet das nicht, dass Gott uns bestraft, sondern vielleicht versucht er, uns aufzuhalten und uns weise zu machen, uns zur Umkehr zu führen.

Ein Ausweg aus der Sackgasse

Von Starez Nikolaj Gurjanow hörte ich einmal einen Satz, der mich heute rettet und mich vor Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung bewahrt: “Alle meinen, dass es mir gut geht.”

Manchmal scheint es, dass ich nicht mehr leben kann und alle meine Lebensressourcen erschöpft sind. Das darf man nicht zulassen, das darf man nicht glauben, so darf man nicht leben. Man muss über sich selbst hinauswachsen, über seine inneren und äußeren Probleme, denn dann kommt Hilfe von oben.

Dann wird wirklich alles anders, wenn du dich nicht vor dir selbst verschließt und versteckst, wenn du dich nicht mit deinen Launen und Taten, die dir superwichtig erscheinen, von deinem Nächsten abschottest, wenn du dich nicht um dich und dein armseliges Leben bemühst, sondern um die, die dir nahe stehen, wenn du versuchst, den Menschen zu dienen, die der Herr dir auf den Lebensweg schickt. Und so kommst du aus der Sackgasse heraus, aus der geistigen Krise, in der deine kranke Seele steckt.

Der Mensch kann den Ausweg nicht in sich selbst finden. Wir finden ihn nur in Gott, in Jesus Christus, von dem der Apostel Paulus sagt: “Alles vermag ich durch Ihn, Der mir Kraft gibt." (Phil. 4,13).

Wie lebt man als Toter?

Wie lebt man als toter Mensch? Wie kann man für das Leben kämpfen und nicht glauben, dass man bereits gestorben ist und dass es keine Lebenszeichen mehr gibt? Wie kann man vorwärts gehen und etwas überwinden, wenn es scheint, dass man bereits tot ist?

Es gibt verschiedene Zeiträume, verschiedene Momente im Leben, die man nicht wiederholen kann, und doch lebt man sprichwörtlich deren Kopie. Es scheint, dass wir in diesem Leben schon eine gewisse Erfahrung mit Fehlern und falschen Entscheidungen gemacht haben. Dann ändert sich die Situation, doch unsere Wahrnehmung dessen, was in uns und um uns herum geschieht, bleibt dieselbe wie früher.

Wir müssen Christus suchen und Ihm die ganze Zeit folgen, damit die richtigen Worte, Gedanken, Bewegungen und das richtige Verständnis dessen, was in uns und um uns herum geschieht, in uns geboren werden. Und “die richtigen” heißt: von Gott kommend, denn die Sünde, die im Menschen wohnt, wird alles ins Gegenteil verkehren und die Dinge auf eine falsche, sündige Weise darstellen. Ein kleines Vergehen, einmal ins Herz gelassen, oder eine Verurteilung, oder Murren, und dieser Splitter, den wir nicht rechtzeitig herausgezogen haben, wirkt sich auf unser Weltbild, unsere Wahrnehmung der Welt und die Beziehungen zu unseren Nächsten aus.

Es ist alles nicht so einfach. Es scheint, dass man einen Verstand hat, dass man ein gutes Herz hat, dass man seine eigene Lebenserfahrung hat, aber wir können uns nicht auf uns selbst und unsere eigene Kraft verlassen. Und wenn wir uns das Ziel gesetzt haben, in das ewige Leben einzugehen, wenn wir Christus nachfolgen, dann müssen wir ständig wachsam sein und dürfen auf unserem Lebensweg nicht einschlafen. Du willst nichts, alles ist langweilig, alles scheint sinnlos und nutzlos zu sein, aber du darfst nicht aufhören und, egal wie schwer es dir fällt, du musst vorwärts gehen.

Leid und Freude

Je näher der Mensch Gott ist, desto größer ist sein Schmerz über die Sünde, die in ihm wohnt. Aber dieser Kummer löst sich in der Freude über den auferstandenen Gott auf.

Auf der einen Seite „Meine Freude, Christus ist auferstanden“, wie Seraphim von Sarow sagt, und auf der anderen Seite die ständige Reue, der ständige Kampf eines schon älteren Menschen mit seinem Fleisch. Tausend Tage und Nächte lang kniet er auf einem Stein und schreit zum Himmel: „Herr, sei mir, Sünder, gnädig!“

Wir haben Angst, den Unsterblichen Gott in unseren kranken und verdorbenen Körper aufzunehmen. Aber wir haben keine andere Möglichkeit, unsterblich zu werden. Wir haben unser ewiges Leben verloren, wir sind tot, aber wir haben den Weg zum Leben, zum Licht, zur Ewigkeit. Dieser Weg beginnt, wenn wir hören, dass Christus uns ruft, Ihm zu folgen.

Eine Quelle der Kraft

Wir sagen: „Bald ist Ostern, bald ist Weihnachten“. Frühling, Sommer, bald wird wieder Winter sein. Wir spüren, wie die Jahre vorbeirasen und das Leben dahin eilt. Aber wir sollten uns nicht beeilen, nicht dieser Zeit hinterherjagen, wir sollten in unseren inneren Tempel gehen, uns darin einschließen und für immer bei Gott bleiben.

Das bedeutet nicht, dass uns gleichgültig ist, was in dieser Welt geschieht, dass wir für diejenigen, die uns nahe stehen, gestorben sind und uns nicht um ihre Probleme und Sorgen kümmern. Aber wir müssen erkennen, dass die Quelle unseres Lebens, die Quelle all unserer Kraft, unsere Verbindung zu Gott ist.

Nur wenn wir Frieden in unserem Herzen haben, wenn wir die Gegenwart Gottes in unserem Dasein leben, wenn wir die Vorsehung Gottes sehen und annehmen und Christus ohne Murren folgen, werden wir die Kraft haben, den Menschen um uns herum zu helfen und wirklich an ihrem Leben teilzunehmen.

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