Ikone des Hl. Amwrosij von Optina
Ratschläge und Unterweisungen, die der Starez Amwrosij denen gab, die im Glauben zu ihm kamen, erteilte er im persönlichen Gespräch oder mitten unter den Versammelten, zumeist in schlichter Form als einfache Sentenz, oft mit einem Scherz gepaart.
Grundsätzlich gilt für diesen Starzen von Optina, dass er seine erbaulichen Reden mit einem humorvollen Unterton würzte.
„Wie soll man leben?“ hörte der Starez von allen Seiten. Nach seiner Gewohnheit antwortete er aphoristisch (prägnant-geistreich):
„Leben heißt:
das Nichtige lassen, niemanden verurteilen,
niemanden verärgern, und allen Ehrerbietung erweisen.“
Der Ton seiner Rede entlockte leichtfertigen Zuhörern oft ein Lächeln. Sobald sie aber ernsthaft darüber nachdachten, erkannten sie bald den tief verborgenen Sinn seiner Worte. „Das Nichtige lassen“ will sagen, dass sich das Herz nicht den vermeidbaren Schmerzen und Misserfolgen aussetzen, sondern vielmehr der einzigen Quelle er Seligkeit zuwenden soll; dadurch wird der Mensch trotz der zahllosen und unterschiedlichen Unbilden zur Ruhe kommen, sich mit ihnen aussöhnen oder abfinden. „Nicht verurteilen“, „nicht verärgern“: Was ist unter den Menschen so weit verbreitet wie Verurteilung und Ärgernis, diese Abkömmlinge verderblichen Hochmuts. Sie allein genügen schon, um die Seele eines Menschen in den Abgrund der Hölle zu stoßen. Dies umso mehr, als sie zumeist nicht als Sünde erkannt werden.
„Allen Ehrerbietung erweisen“: Dies verweist auf den Rat des Apostels: Einer achte den anderen höher als sich selbst (Röm 12,10). Wenn wir alle diese Gedanken zusammenfassen, erkennen wir, wie der Starez durch solche Belehrungen im Grunde genommen zur Demut rät, ist sie doch die Grundlage des geistlichen Lebens, die Quelle aller Tugenden, ohne die man nach der Lehre des hl. Johannes Chrysostomos nicht gerettet werden kann.
Auf die dem Starzen vorgelegte Frage „Wie soll man leben?“ hat er zuweilen auch anders geantwortet: „Lebe ohne zu heucheln, beispielhaft, dann ist es schon recht, sonst aber schlecht.“
Oder auch so „Leben kann man auch in der Welt, nur nicht närrisch, sondern still und gesammelt.“ Mit solchen Worten legte der Starez nahe, wie sehr man Demut erwerben müsse.
„Wir sollten auf der Erde so leben, wie sich ein Rad dreht. Es berührt immer nur in einem Punkt die Erde und der übrige Teil strebt wieder nach oben. Wir aber legen uns auf die Erde und haben Mühe aufzustehen.“
Und noch einmal die Demut betreffend: „Um im Kloster zu leben, braucht man nicht nur eine Fuhre Geduld, sondern einen ganzen Tross.“ Ein andermal sagte er: „Um Nonne zu werden, muss man entweder aus Eisen oder aus Gold sein.“ Väterchen erklärte dann: „Aus Eisen meint große Geduld haben, aus Gold - große Demut.“
„Wenn dich jemand beleidigt, lass es niemand außer dem Starzen wissen, und du wirst still werden. Grüßen solltest du alle, ohne dir Rechenschaft darüber abzulegen, ob man deinen Gruß beantwortet oder nicht. Demütigen sollte man sich vor allen und sich schlechter halten als sie. Wenn wir uns nicht wie die anderen versündigt haben, dann kann das daran liegen, dafür keine Gelegenheit gehabt zu haben, Situation und Umstände waren andere. In jedem Menschen gibt es etwas Gutes und Schönes, gewöhnlich sehen wir in den Menschen aber oft nur das Lasterhafte und Schlechte.“
Einmal sagte der Starez: „Gott sucht mit seinem Erbarmen nur die Demütigen heim.“ Nach kurzem Schweigen fügte er plötzlich hinzu: „Seid bereit, denn ihr wisst weder Stunde noch Tag.“ Wenige Minuten später erfuhr er vom Tod eines Novizen in der Skit.
(Aus den Erinnerungen des Alexej von Kronstadt)