Die Dämmerung war über den Wald hereingebrochen. Die Igelfamilie, die unter der alten Tanne lebte, wachte auf. “Es ist Zeit, auf die Jagd zu gehen”, sagte Papa Igel und streckte sich. “Kinder, macht euch bereit!”, befahl Mama Igel und schaute den jüngsten ihrer sechs Sprösslinge an: “Und du, Borstel, bleibst nicht zurück wie letztes Mal.”
Tagsüber schlief die Igelfamilie gewöhnlich in einem Nest aus trockenen Blättern und Reisig, aber nachts gingen sie auf Nahrungssuche.
“Auf geht's ins Feriendorf!”, freuten sich die Igel, die die Menschen gerne aus der Ferne beobachteten.
Bald tauchten die ersten Sterne am Himmel auf. Borstel hob den Kopf und bewunderte sie. Doch als er zu stolpern begann, machte sich Mama Igel Sorgen: “Du hängst schon wieder deinen Träumen nach, Kleiner ... Pass auf deine Füße auf. Sonst fällst du noch!”
“Aber die Sterne sind doch so schön!”, sagte das Igelchen sich voller Bewunderung streckend. Plötzlich musste er niesen. “Ist unser Träumer etwa krank?”, fragte sorgenvoll Papa Igel. Borstel kreischte: “Etwas Kleines und sehr Schönes hat mit seinen Flügeln meine Nase berührt! Habt ihr es nicht gesehen?”
Aber alle schauten nur auf den Weg vor ihnen, sodass niemand etwas bemerkt hatte ...
“Es war so etwas wie ein Wunder!”, sagte Borstel.
“Wie sah es denn aus?”, fragte die Igelmama interessiert. “Es …”, überlegte der Kleine, “es war wie Glück! Ja, ja, ich wurde vom Glück berührt, da bin ich mir sicher!”
Papa Igel brummte skeptisch, Mama Igel rollte verträumt mit den Augen, und die Igelkinder wuselten in Erwartung eines neuen Abenteuers herum. “Das Glück flog in Richtung der Häuschen, vielleicht finden wir es ja!” Borstel sah seine Eltern flehend an.
“Gut, lasst es uns suchen”, stimmte Papa Igel zu. “Vielleicht finden wir es ja …”
“Hurra!”, jubelten die Igelkinder, und die Familie setzte ihren Weg fort.
Bald tauchten die Dächer der Häuser auf. In mehreren Fenstern brannte Licht. Als sie sich einem von ihnen näherten, sahen die Igel ein Mädchen.
“Hallo, kleines Mädchen!”, rief die Igelmama. “Hast du hier zufällig das Glück gesehen?”
“Welches Glück soll es denn hier geben!”, entgegnete das Mädchen entrüstet. “Sie haben mir kein Fahrrad gekauft, weil ich das Schuljahr nicht gut abgeschlossen habe ... Wie kann es bei so strengen Eltern Glück geben?”
“Reg dich nicht auf”, versuchte Borstel sie zu beruhigen. “Es ist nicht die Schuld deiner Eltern, dass du nicht fleißig lernen konntest. Das hast du dir selbst zuzuschreiben ... Aber das ist schon in Ordnung! Deine Freunde haben doch sicher Fahrräder, und du kannst sie um Erlaubnis bitten, mit ihnen eine Runde zu drehen!”
Das Mädchen wurde wütend: “Bitten? Das geht nicht! Ich werde niemanden um etwas bitten!” Darauf wandte sie sich vom Fenster ab, und die Igel zogen zum nächsten Haus weiter … “Vielleicht hat sich das Glück hier niedergelassen”, sagte die Mama Igel, als sie einen Jungen auf der Fensterbank sitzen sah.
Papa Igel hustete, dann rief er: “Hallo, Junge, hast du zufällig das Glück gesehen?”
“Nein”, murmelte er. “Mischka ist glücklich, er hat morgen Geburtstag und wird viele Geschenke bekommen ... Aber ich werde erst in sechs Monaten glücklich sein.”
“Warum bist du dann so traurig?”, fragte Borstel. “Freu dich doch für deinen Freund!” Der Junge sagte nichts, sondern zog nur den Vorhang fest zu. “Ja”, sagte Mama Igel, “der Neid kann jedes Glück verscheuchen.”
Plötzlich ertönte aus dem Nachbarhaus ein Stimmchen: “Schnell, Igelchen, kommt hier her, ich habe Milch für euch vorbereitet!”
Die Familie folgte dem Ruf, und bald sahen sie ein rothaariges Mädchen, das ihnen gastfreundlich die Tür öffnete. Hinter ihr standen ihre Mutter und ihr Vater und lächelten liebevoll. Auf der Veranda stand für die Gäste aus dem Wald eine Untertasse mit frischer Milch … “Oh, wie lecker!”, schmatzten die Igel vor Vergnügen.
“Wisst ihr zufällig, wo das Glück zu Hause ist?”, fragte Papa Igel vorsichtig. “Aber natürlich wissen wir das!”, antwortete das Mädchen fröhlich. “Es wohnt in unserem Haus!”
“Haben sie dir ein Fahrrad gekauft?”, fragte Borstel. “Nein”, sagte sie lachend.
“Dann hast du vielleicht morgen Geburtstag.”, der Igel gab nicht auf. “Nein, nein!”, kicherte das Mädchen. “Warum sagst du dann, dass du glücklich bist?”, fragten die Igel und hielten den Atem an.
“Erstens: Ich habe die besten Eltern der Welt. Zweitens habe ich Freundinnen, und drittens sind die Igel zu Besuch gekommen”, zählte das Mädchen auf. “Ist das nicht genug, um glücklich zu sein?”
Und da landete etwas Weißes und Schwereloses auf Borstels Nase. “Das Glücksgefühl!”, kreischte der kleine Igel, als er sein Wunder wiedererkannte.
“Es ist ein Schmetterling”, lachte Papa Igel. “Ja, Glück ist für jeden etwas anderes”, flüsterte Mama Igel nachdenklich und schaute ihre Familie liebevoll an.