Briefe an meine geistlichen Kinder. Teil 13

2. Februar 2022

Briefe an meine Geistlichen Kinder

IGUMEN NIKON (WOROBJOW)

Briefe an Menschen in Kozelsk, die einen monastischen Weg gewählt haben

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Du hast schon einige Male von deiner Angst vor dem Tod geschrieben. Wenn du dir einen beliebigen Gegenstand aufmerksam ansiehst, dann wirst du diesen scharf vor Augen haben und andere Dinge rundherum weniger deutlich wahrnehmen. So ist es auch mit der Angst vor dem Tod. Wenn du den Tod mit den Augen des alten Menschen betrachtest und dir nur die Leiden vor dem Tode vor Augen führst, dann werden sie für dich übergroß und flößen dir Angst ein. Dort hinein mischen sich noch die Dämonen. Wenn man in einen solchen Zustand verbleibt, kann man in der Tat beunruhigt sein. Man sollte allerdings auf den Tod so blicken, wie ihn die Heilige Schrift dargestellt: „Ich möchte mich lösen und mit Christus sein“ (Phil. 1,23). So hat ihn der Apostel Paulus, so haben ihn alle Heiligen gesehen. Das irdische Leben ist wie eine Verbannung zur Besserung. Wie freut man sich, wenn man aus einem Lager oder dem Gefängnis befreit ist. Ebenso, ja unendlich freudiger, wird es sein, wenn wir einst dieses finstere, irdische Leben verlassen werden.

Du meinst: „Es ist gut, wenn man ins Gottesreich gelangt. Was aber, wenn nicht? Was ist, wenn man in die Hölle kommt?“ Was jedoch hindert uns daran, ins Gottesreich einzugehen? Es ist gesagt: „Erfülle die Gebote, dann wirst du zum Seelenheil gelangen“. Und da wir schwach und verdorben sind, unter der Macht der Dämonen stehen bzw. diese auf uns Zugriff haben, hat uns der Herr die Buße und andere Sakramente gegeben. Wenn wir aufrichtig büßen, dann vergibt uns der Herr, d.h. dann reinigt er unsere Seele von den Wunden der Sünde. Er verspricht uns Büßern das Himmelreich. Wenn man siebzig mal sieben Mal am Tag bereut, wird man ebenso viele Male Vergebung erlangen. Natürlich wirst du Angst haben, wenn du dem Wort Gottes nicht glaubst. Dann verfällst du der Macht der Dämonen, die dich dann quälen werden. Du scheinst offenbar wie ein Pharisäer zu sein. Du möchtest dich, wenn auch unbewusst vielleicht, auf deine Taten stützen können. Sei aber lieber wie der Zöllner! Hoffe, was dein Heil anbelangt, allein auf die Barmherzigkeit Gottes, nicht aber auf das, was du erreicht hast. Dann wirst du aus diesem Leben scheiden, wie der Zöllner den Tempel verlassen hat: gerechtfertigt. Dann wirst du in das Gottesreich eingehen.

Darauf richte deine Aufmerksamkeit! Gedenke, dass der Herr die Menschen nicht geschaffen hat, damit sie in Qualen enden, sondern an der göttlichen Freude teilhaben. Der gesamte Himmel freut sich über jeden Sünder, der Buße tut. So werden wir alle zum Heil gelangen. Der Tod ist wie eine Geburt. Auch bei einer Geburt sind Schmerzen unvermeidlich. Doch diese Leiden verwandeln sich in Freude, denn ein Mensch ist für das Gottesreich geboren worden. Gehe deshalb mit dir wegen jeder Sünde ins Gericht: wegen jedes dummen Gedankens, wegen deines Kleinglaubens und deiner Zweifel, ja auch wegen deiner unsinnigen Angst vor dem Tod. Gehe mit dir ins Gericht und tue sofort Buße. So wirst du in deiner Seele Ruhe und Frieden erlangen und dich dem Willen Gottes anvertrauen lernen. Denn die gesamte Kirche betet: „um ein christliches Ende unseres Lebens, ohne Qual und Schande und in Frieden sowie um eine wohlwollende Antwort beim Jüngsten Gericht Christi“. Stimme auch du in diese Bitte der Kirche ein. Möge der Herr dir Einsicht geben und Frieden.

Mutter, verurteile niemanden, denn sonst wirst du dich nie von der Angst befreien können. Auch der Herr wird dir deine Sünden nicht vergeben, wenn du selbst deine Mitmenschen, statt ihnen zu verzeihen, verurteilst. Zieh zuerst den Balken aus deinem eigenen Auge heraus, dann wirst du es auch lernen, den Splitter aus den Augen anderer zu entfernen. 

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Ich gratuliere dir zum großen Fest der Geburt Christi und zu Neujahr.

Du weißt sehr gut, was die alten Väter bezüglich unserer Zeit vorhergesagt haben. Es ist gesagt: man wird durch Glauben und Geduld, durch Leiden und Krankheiten sowie durch Buße zum Heil gelangen. Auf Taten können wir nicht verweisen. In allem und zu jeder Zeit übertreten wir die Gebote Christi. Deshalb bleibt uns nur zu büßen und zu ertragen, sowie zu glauben, dass der Herr Jesus Christus, der gekommen ist, um die, die verloren sind, zu suchen und zu retten, auch uns, die wir ihn um Vergebung und das Heil bitten, erlösen wird. Daran muss man fest glauben. Derjenige, der auf seine eigenen Taten hofft, baut sein Haus auf Sand. Das Heil der Menschen ist eine Sache der Barmherzigkeit Gottes. Es ist eine Gabe Gottes an die gefallene Menschheit, die an Christus glaubt und sich ihres eigenen Verderbens bewusst ist und deshalb mit der Stimme des Zöllners ruft: „Gott, sei mir Sünder gnädig“.

Von den Taten der Menschen hat der Herr Jesus Christus gesagt: „Wenn ihr alles, was euch aufgetragen war, getan habt, dann sprecht: Wir sind wie unnütze Knechte, denn wir haben nur getan, was wir tun sollten“ (Lk. 17,10). Das bedeutet, dass wir, die wir Knechte und Geschöpfe Gottes sind, verpflichtet sind, den gesamten Willen Gottes, also alle seine Gebote zu erfüllen. Doch auch derjenige, der alle Gebote erfüllt, geht nur dank der Barmherzigkeit Gottes in das Gottesreich ein. Keine Taten, sondern nur Demut neigt den Herrn zur Barmherzigkeit. Man sollte den Tod fürchten und sich auch auf ihn vorbereiten. Doch verzweifelt zu sein und in Trübsinn zu verfallen, das sind Dinge, die der Feind uns suggeriert.

Der Herr hat allen geboten, zu jeder Zeit für den Tod bereit zu sein. Deshalb sind Träume, die in uns Trübsal und Verzweiflung verursachen, vom Feind. Träume von Gott lassen das Herz gerührt sein und führen zu Demut. Sie bestärken unsere Hoffnung auf den Heiland, der auf die Erde gekommen ist und das Kreuz um des Heils all derer willen auf sich genommen hat, die ins Verderben stürzen, nicht aber für die Rechtschaffenen, die sich (auf falsche Weise) des Gottesreiches würdig halten. Sie sind voller Stolz und bilden sich ein, rechtschaffen zu sein. Alle Heiligen dagegen hielten sich für große Sünder.

All das weißt du sehr gut selbst. Ich möchte dich nur ein wenig daran erinnern. Die Idee, alles zu verkaufen oder nicht mehr für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten, stammt eindeutig vom Feind. Arbeite, wie es deine Kräfte erlauben und hoffe auf den Herrn, der das gesamte All nährt und versorgt. Wer sich Christus im Glauben nähert, sich seinen Kräften gemäß um die Erfüllung seiner Gebote bemüht und Buße tut, der wird auch nach dem Tod mit Christus sein. „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ (Joh. 6,37). Dies ist für alle gesagt. Deshalb besteht für einen Christen kein Grund zur Verzweiflung. Lebe deshalb in Ruhe und Frieden.

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