Briefe an meine geistlichen Kinder. Teil 21

6. April 2022

Sich auf die Suche nach Gott begeben

IGUMEN NIKON (WOROBJOW)

Briefe an verschiedene Personen

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Danke für Ihre Glückwünsche. Ich erinnere mich an die Bitte bezüglich N´s. Es tut mir sehr Leid um ihn. Manchmal denke ich voller Liebe an ihn und wünsche ihm, dass er sich aus den Fängen des Teufels befreien kann. Er sollte nicht in Philosophie und Wissenschaft suchen, was er verloren hat, sondern als eine Entscheidung des Willens, ohne sehen zu können, glauben, und sein Leben nach dem Glauben ausrichten. Dann wird ihm auch Hilfe von oben gegeben werden, die die vom Feind in ihm gesäte Finsternis vertreibt und ihn von der Wahrheit des Christentums mit einer solchen Kraft überzeugt, dass er von ganzem Herzen ausrufen wird: „Herr, ich bin für jede Qualen bereit, nur verstoße Du mich nicht!“ Dies haben alle erfahren, die sich nach Gott auf die Suche begeben haben. „Suchet und ihr werdet finden! Bittet und es wird euch gegeben werden! Klopfet an und es wird euch geöffnet werden. Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater ums Brot, der ihm einen Stein dafür biete, oder so er um einen Fisch bittet, der ihm eine Schlange dafür gibt? So denn ihr, die ihr arg seid, könnt den Menschen gute Gaben geben, wie viel mehr wird der Vater im Himmel all denen Gutes geben, die Ihn darum bitten“ (Mt. 7, 7 ff).

Warum ernährt er sich von dem, was die Schweine fressen, und hat aufgehört, die Heiligen Väter zu lesen? Haben diese etwa alle, so wie er meint, in irgendeiner Illusion gelebt? Wenn aber wenigstens einer von ihnen die Wahrheit gesagt hat, dann ist das gesamte Christentum wahr. Und die Märtyrer? Mit welchen Leiden haben sie für die Wahrheit Zeugnis abgelegt! Natürlich fehlt ihm die persönliche Erfahrung. Soll er doch um sie bitten, dann wird sie ihm gegeben werden.

Verzweifeln Sie nicht in ihrem Kummer und geben Sie nicht auf. Lesen Sie öfter im Evangelium. Jesus Christus hat allen, die bereut haben, vergeben, doch er hat auch gewarnt: „Gehe und sündige von nun an nicht mehr“ (Joh. 8,11). Wenden Sie sich öfter an Ihn! Gestehen Sie sich Ihre Fehltritte ein und bitten Sie Ihn um Hilfe! Üben Sie sich im Jesusgebet, beten Sie es manchmal laut, manchmal still für sich. Möge der Herr Ihnen Einsicht gewähren und Sie von allem Bösen beschützen. Wenn Sie N. schreiben sollten, dann übermitteln Sie ihm von mir einen aufrichtigen Gruß. Sagen Sie ihm ebenso, dass die Heiligen Väter den Unglauben für eine ebensolche Leidenschaft halten, wie auch Wollust, Eitelkeit und Stolz usw. Hier hat der Feind seine Hand im Spiel, mehr als der Mensch selbst. Gegen den Unglauben muss man ebenso ankämpfen wie auch gegen alle anderen Leidenschaften. Nicht indem man sich mit solchen Gedanken in ein Gespräch oder auf eine Diskussion einlässt, sondern indem man sie durch einen Akt des Willens vertreibt (nicht indem man gnädig ist). Dabei hilft natürlich Beten, besonders das Jesusgebet, wenn man es möglichst ohne Unterlass und gepaart mit der Bitte aus tiefstem Herzen, Barmherzigkeit zu empfangen, praktiziert. Durch diesen heiligen Namen, vor dem sich alle himmlischen Mächte auf der Erde wie auch in der Unterwelt verneigen, werden die Angriffe des Feindes abgeschwächt. Im Herzen breiten sich dann Frieden und Hoffnung, Glauben und Rührung aus. So überwindet man jegliche Versuchung. Solange N. aber wissenschaftliche und philosophische Bücher bzw. sämtliche Apologien liest, wird er immer noch tiefer in den Strudel hineingeraten. Er sollte all dies von sich werfen und sich an Den wenden, Der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (Joh. 14,6). Möge der Herr ihm dabei helfen! Ich schreibe dies wie ein Bruder, nicht aber wie ein Lehrer.

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Frieden sei mit Ihnen.

Aus meinen vielen Briefen konnten sie spüren, dass ich Sie nicht verurteile, sondern vielmehr aufrichtig mit Ihnen fühle und Sie in ihrer Not bemitleide. Denn auch in Krankenhäusern verurteilen sich die Menschen einander nicht für die eine oder andere Krankheit. Wir alle leiden an seelischen Krankheiten, an unseren Sünden. Eines sollten wir deshalb sicher wissen und niemals vergessen: Wir sollten niemals, in was für einer Lage wir uns auch befinden mögen, verzweifeln. Verzweiflung führt sehr oft zu Selbstmord und bedeutet den Tod der Seele. Man kann die schlimmsten Sünden büßen und Vergebung erhalten. Viele Räuber und Mörder haben, wenn sie aufrichtig gebüßt haben, nicht nur Vergebung erhalten, sondern ihr Leben auch in neue Bahnen lenken können und sogar den Stand der Heiligkeit erreicht: Moisej Murin, Barbar der Räuber (sein Gedenktag ist der 6 Mai), Daniil und andere. Anhand ihrer gibt uns der Herr zu verstehen, dass wir die Hoffnung nie aufgeben sollen, wie Judas, sondern Ihm unsere Buße darbringen und so zum Heil gelangen können.

Herzensrührung ist eine Gabe Gottes. Sind wir ihrer würdig? Wir sollten uns auf keinen Fall um irgendwelche süßen Empfindungen während des Betens bemühen. Der heilige Ignatius (Brjantschaninow) fordert entschieden, dass jedes Gebet nur von einem Gefühl der Reue bestimmt sein sollte. Ebendiesen Gedanken hat uns auch der Herr Jesus Christus im Gleichnis vom Zöllner und Pharisäer aufgezeigt. Für uns Sünder ist das Gebet des Zöllners ausreichend. Lernen Sie deshalb von ihm, wie man beten sollte. Wenn Sie das doch nur lernen würden! Denken Sie nicht, dass das sehr einfach wäre. Hier tut sich eine wahre Tiefe auf. In einem solchen Gebet öffnet sich der gesamte Abgrund unseres Herzens, der angefüllt ist mit den verschiedensten Scheußlichkeiten: „Siehe das Meer, das so groß und weit ist, da wimmelt es nur so von Untieren (Ps. 104,25)“.

Ich rate Ihnen, sich erst einmal bis zur Woche der Kreuzverehrung von der Kommunion fernzuhalten. Danach werden Sie es selbst besser einschätzen können. Man sollte sich ein bisschen quälen, ein wenig traurig sein und Menschen Gutes tun, sich mit Fasten und Verbeugungen usw. etwas schinden, natürlich solange die Kräfte ausreichen. Lassen Sie sich mit anderen weniger auf Gespräche ein, vermeiden Sie Menschen.

Im Kirchenchor kann man nie beten. Es ist besser, sich eine Ecke in der Kirche zu suchen und es dort, versteckt, dem Zöllner gleichzutun.

„Hofft nicht auf die Fürsten und Söhne der Menschen“ (Ps. 145,3). Hoffen Sie auf Gott und mühen Sie sich, so gut es geht. Wenn Sie von sich aus nichts tun, dann wird auch der Herr Ihnen nicht helfen. Das beste Beispiel ist Judas. „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist“ (Jak. 5,16), d.h. wenn derjenige, der um das Gebet bittet, selbst durch seinen Lebenswandel das Gebet der anderen unterstützt.

Möge der Herr Ihnen auf Ihrem Weg zum Heil helfen. Bemühen Sie sich darum, des Herrn öfter zu gedenken. Denn wer jemanden liebt, denkt immer an ihn. Fühlen Sie sich auch jetzt immer wie der Zöllner und beten Sie in seiner Weise: zu Hause, in der Kirche und überall, immer öfter, so oft es geht.

Möge der Herr Sie beschützen! Möge er Ihnen Einsicht geben, Sie segnen und Sie vor allem Bösen bewahren.

Machen Sie immer öfter, wenn Sie zu Hause sind, eine Verbeugung und rufen Sie von ganzem Herzen Gott an: „Herr sei mir Sünderin gnädig“.

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