IGUMEN NIKON (WOROBJOW)
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Der Frieden und die Barmherzigkeit des Herrn seien mit dir und Sergej. Ich habe deinen Brief bekommen. Du hast schon lange nicht mehr geschrieben, wie es dir geht. Ich bin froh, dass du schreibst, wenn du wirklich das erlebst, was du schilderst. Denn oft schreiben manche nur ihre Wünsche oder etwas, was sie gelesen oder gehört haben. Das, was du beschreibst, geschieht notwendigerweise mit jedem Menschen, der sich auf den geistlichen Pfad begeben hat und diesen auf rechte Weise beschreitet. Tue etwas für dein Seelenheil und werde nicht müde! Bete und bemühe dich mit allen in Frieden zu leben! Verurteile niemanden und hab mit allen Mitleid! Richte nicht über die, die für alle sichtbar sündigen, sondern rufe um ihrer willen den Herrn an, dass Er ihnen vergeben, sie zur Einsicht führen und zum Heil verhelfen möge.
Das Maß der geistlichen Reife eines Menschen ist seine Demut. Je höher ein Mensch auf dem geistlichen Pfad gelangt ist, umso demütiger ist er. Und umgekehrt, je demütiger ein Mensch ist, umso weiter ist er auf seinem Weg zum Heil vorangekommen. Keine Gebetsregel, keine Verbeugungen, kein Fasten und auch nicht die Lektüre des Wortes Gottes bringen einen Menschen Gott näher, nur die Demut. Ohne Demut bleiben selbst die größten asketischen Leistungen ohne Nutzen, sie können einen Menschen vielmehr sogar ins Verderben stürzen. In unserer Zeit kann man beobachten, dass, wenn ein Mensch ein wenig mehr als normal betet, wenn er den Psalter liest und die Fasten einhält, er sich dann schon gleich höher als die anderen empfindet. Er beginnt, andere Menschen um sich herum zu verurteilen, er beginnt sie zu lehren, obwohl diese ihn gar nicht darum gebeten haben usw. Damit aber zeigt sich nur seine geistliche Leere und wie weit er sich vom Herrn in jenes ferne Land begeben hat. Man sollte sich deshalb vor einer hohen Meinung von sich selbst fürchten. Der Herr Jesus Christus spricht: „Wenn ihr auch alles Vorgeschriebene verrichtet habt (also alle Gebote erfüllt habt), so haltet euch trotzdem für nichtswürdige Knechte, denn ihr habt nur das getan, wozu ihr verpflichtet wart“ (Lk. 17,10). Das Heil ist eine Gabe Gottes an alle diejenigen, die ein demütiges und zerschlagenes Herz haben. Deshalb sollte man Gott auch um Demut bitten. Demut und das Verurteilen anderer Menschen oder aber beleidigt zu reagieren, gehen in keiner Weise zusammen. Wenn wir andere verurteilen oder wenn wir, wenn uns jemand kränkt, beleidigt sind, dann heißt dies, dass wir überhaupt nicht demütig sind. Die heiligen Asketen haben aufrichtig allen denen gedankt, die sie beleidigt und gekränkt haben. Denn indem sie Beleidigungen geduldig ertragen haben, haben sie gelernt, demütig zu sein. Die Gottesmutter behauptet, dass der Herr sie für ihre Demut erwählt hat. Der Heiland selbst ruft alle dazu auf, von Ihm Demut zu lernen - nicht das Fasten, nicht das Beten und auch nicht die Liebe zu den Mitmenschen, sondern die Demut. Nur durch Demut wird ein Mensch ein Geist mit dem Herrn, Der sich demütig anspucken, schlagen und ans Kreuz schlagen ließ. Es ist selbstverständlich, dass wir verpflichtet sind, mit aller Kraft alle Gebote zu erfüllen, doch ich wiederhole es noch einmal, dass dies ohne Demut entweder nutzlos ist oder aber sogar Schaden anrichten kann. Verstehe mich bitte recht!
Möge der Herr dir Einsicht geben! Möge Er dich von den Tücken der sichtbaren und unsichtbaren Feinde beschützen. Denn sie sind in ihrer List sehr geschickt. Möge der Herr euch segnen.
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Wie geht es dir? Wie steht es um deine Gesundheit? Ich würde dich sehr gerne sehen und mit dir sprechen. Ich höre, dass du weiterhin sehr oft trinkst und dir damit nichts Gutes tust. Was erwartet einen Menschen, der diesen Weg eingeschlagen hat? Ich werde es dir jetzt beschreiben.
Wenn du mit diesem Laster nicht aufhörst, verfällst du vollständig in die Hände der Dämonen. Sie werden dir zuflüstern, immer weiter zu trinken, und so wirst du dir dein Nervensystem kaputt machen. Du wirst ständig gereizt sein und leicht zum Zorn neigen. Zuerst werden es leichte Konflikte sein, die dann aber immer schwerer und lang anhaltender werden. Das Geld wird nicht ausreichen, und man wird dir kündigen. Dann wirst du Dinge verkaufen, andere in erniedrigender Weise um Geld bitten und vielleicht sogar stehlen müssen. Dein Zorn wird am Ende so bösartig sein, wie es die Dämonen selbst sind, und du wirst sogar den Wunsch hegen, jemanden zu töten.
Die Dämonen, die im Geheimen wirken, werden dir wie Räuber, wilde Tiere oder Schlangen usw. erscheinen. Später können Sie sich dir auch in ihrem abscheulichen Wesen direkt zeigen. Wenn du auch dann nicht zur Vernunft kommst, werden sie dich zwingen, ein schweres Verbrechen zu begehen, zum Beispiel ein Haus anzuzünden oder jemanden zu töten. Dann werden sie dich völlig verzweifeln lassen und dich dazu bringen, dir das Leben zu nehmen. Wenn ein Mensch mit dem Tode auf immer verschwinden würde, könnte man sich für ihn dann sogar freuen, denn seine Qualen hätten nun ein Ende. Doch es ist nicht zu Ende. Alle Trinker und Selbstmörder geraten nun von harmlosen und zeitlich begrenzten Qualen für immer in die Fittiche der Dämonen und erleiden grausame Torturen, die kein Ende haben werden.
So wie die Menschen, die sich um ein Leben im Geiste bemühen, gegen ihre Sünden ankämpfen und diese auch besiegen, auf diese Weise befähigt werden, die Existenz einer geistlichen Welt zu empfinden, und später auch Engel sehen, so werden auch alle diejenigen, die sich groben Leidenschaften wie Trunksucht und Unzucht ergeben, Dämonen zu Gesicht bekommen und zu deren Sklaven werden, wenn sie nicht Buße tun.
Schon rein äußerlich betrachtet, verrät einerseits der Anblick eines Menschen, der sich an geistlichen Werten orientiert, und andererseits der eines Knechts des Teufels sehr deutlich, wohin der eine und wohin der andere Weg führt. „An den Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt. 7,16) – spricht der Herr.
Mein lieber und teurer Serjoga! Mache dir klar, wohin du dich aufgemacht hast. Wenn dir hier schon alles schwer fällt, wie wird es dir dann erst nach dem Tode ergehen? Die Leidenschaften sind dort um ein tausendfaches stärker als auf der Erde. Sie werden dich wie Flammen schlagen, und du wirst keine Möglichkeit haben, ihnen zu entkommen. Dein Gewissen wird dort für das verlebte Leben und die begangenen Verbrechen wie ein Wurm, der niemals schläft, an deinem Herzen nagen. Das Bewusstsein, dass du dir durch eigene Schuld die ewige Seligkeit und die Gesellschaft der Heiligen und Engel verdorben hast, wird dich ewig quälen.
Serjoga, wenn du nicht aufhören kannst zu trinken, dann mache dir wenigsten klar, dass du etwas tust, was dir nicht gut tut und dich kaputt macht, dass du deine liebsten Menschen um dich herum unglücklich machst und auch den Herrn kränkst. Mache dir dies bewusst und falle wenigstens einmal am Tag vor dem Herrn auf die Knie und sage ihm: „Herr ich gehe zugrunde. Rette mich. Lass mich nicht endgültig ins Verderben stürzen. Herr sei mir Sünder gnädig“. Wenn du so jeden Tag aus der Tiefe deines Herzens zum Herrn rufst, dann wird er dir deine Sünden vergeben und dich vor dem Verderben bewahren.
Der erste, der ins Paradies eingezogen ist, war ein Räuber. Dies hat der Herr so gefügt, um uns Sünder zu trösten. Der barmherzige Herr vergibt demjenigen, der aufrichtig büßt, alles. Deshalb sollte kein Sünder verzweifelt sein. Rede dir nicht ein, dass du bereits verloren bist. Das ist ein Gedanke vom Feind. „Über jeden Sünder, der Buße tut, ist die Freude am Himmel groß“ (Lk. 15,7) – sagt der Herr. Er ist unser Heiland. Er ist auf die Erde gekommen, um die Sünder zu suchen und zum Heil zu führen. Hab keine Angst vor den Dämonen. Wenn sie dir in irgendwelcher Weise erscheinen sollten, dann ruf den Namen des Herrn Jesus Christus zur Hilfe. Bekreuzige dich, denn vor dem Kreuz entschwinden sie wie Rauch. Versuche dich nicht mit Messern oder anderen Gegenständen, die als Waffen dienen können, zu schützen. Sie haben davor keine Angst. Kämpfe mit dem Namen Gottes. „Sie haben mich umzingelt, doch ich werde sie mit dem Namen des Herrn schlagen“ (Ps. 118,11). Mit ihm haben sich wahrhafte Christen vor den Dämonen geschützt. Sie sind es, die es uns lehren, es auch so zu tun.
Serjoga, ich gedenke deiner immer im Gebet. Ich verspreche dir, dass ich bei jeder Liturgie ein Teilchen aus der Prosphore herausschneiden und den Herrn bitten werde, dass er dir Einsicht geben und helfen möge, dich aus deiner Not zu befreien. Bitte, tu auch du selbst ein wenig dafür. Reiche den Dämonen nicht die Hand. Bitte selbst um Hilfe. Ich sage es noch einmal: verneige dich wenigstens einmal am Tag vor dem Herrn und bitte ihn, dass er dich nicht allein und ins Verderben laufen lässt und dich vor den ewigen Qualen bewahren möge. Hab mit dir selbst Mitleid, wie auch mit Katja. Du hast sie doch einst geliebt. Vielleicht liebst du sie auch noch immer. Tut es denn dir nicht weh, dass du sie quälst? Bitte sie um Verzeihung, wenn du sie einmal beleidigen solltest, damit der Herr auch dir verzeiht. Wenn du mit deinen liebsten Menschen um dich herum keinen Frieden hast, wie willst du dann im Herrn Frieden finden? Verzweifle nicht, was auch immer du tun magst. Bete in einer helleren Minute zum Herrn, dann wird er dir helfen und dir vergeben. Serjoga, komm zu dir und hab Mitleid mit dir selbst! Komm zu uns! Hier kannst du beichten und die Kommunion empfangen. Hier kannst du in eine Kirche gehen und geistliche Literatur lesen.
Serjoga, ich bin selbst ein Sünder, doch ich habe von ganzem Herzen Mitleid mit dir. Der Herr hat tausendmal mehr Mitleid mit jedem Sünder und wartet nur darauf, dass dieser sich an Ihn wendet, um ihm alle Sünden und Abscheulichkeiten zu vergeben, um ihn zum Heil zu geleiten. Wende dich an den Herrn im Gebet! Bereue deine Sünden und halte dich von Menschen fern, die dir nicht gut tun, wie auch von deiner verdammten Arbeitsstelle. Der Herr wird dir helfen. Sei lieber arbeitslos, aber trinke nicht und richte dich nicht selbst zugrunde.
Wenn du dich nicht voller Buße und Demut an den Herrn wendest, dann wird dir noch hier großes Leid widerfahren. Doch erst nach dem Tod wirst du richtig weinen und mit den Zähnen bibbern und das dann für immer. Es wird um dich herum finster sein, und die Dämonen werden dich erwarten, wie der Wurm, der niemals stirbt. Dort werden Flammen lodern, die nie erlöschen. Die Qualen dort werden unendlich grausam sein und nie enden.
Wie schwer es hier auch sein mag, so hat doch alles Irdische irgendwann einmal ein Ende. Nach dem Tod jedoch beginnt für jeden die Ewigkeit, die nie enden wird. Es ist entweder eine Ewigkeit in unsagbarer Seligkeit oder aber eine in grausamen Qualen. Die Wahl liegt in unserer Hand. Der Herr möchte, dass alle der ewigen Freude teilhaftig werden, doch er zwingt dazu niemanden mit Gewalt. Wenn jemand nicht im Licht der Seligkeit mit dem Herrn sein möchte, dann führt sein Weg unweigerlich zum Teufel, in die ewige Finsternis und zu ewigen Qualen.
Alles, was ich hier geschrieben habe, ist unzweifelhaft wahr. Hab Erbarmen mit dir, Serjoga! Sei gnädig zu dir selbst! Amen.
Dein dich wahrhaft liebender Freund und Vater, der dir nur das Gute wünscht.