Briefe an meine geistlichen Kinder. Teil 30

7. Juli 2022

geistlichen kinder

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Du hast natürlich den Artikel in der „Prawda“ vom 5. Dezember von Alexander Osipow gelesen. Deine Haltung ist wie auch die eines jeden, der nicht ganz dumm ist, klar. Ich hätte sehr gerne genauer und ausführlicher gewusst, wie die anderen Studenten dazu stehen. Ist ihnen klar, dass sich dieser Unglückliche in seinem Artikel als eine völlige moralische Null (ohne dies selbst zu bemerken) dargestellt hat und dass der Artikel bei den Lesern genau das Gegenteil von dem bewirkt, was der Autor damit eigentlich bezwecken wollte. Er hat es nicht vermocht, sich selbst zu rechtfertigen und hat der Religion keinen Schaden zugefügt. Vielmehr hat er gezeigt, dass der Herr zu jeder Zeit versteckte Judasse aufdeckt und sie aus Seiner Kirche ausstößt.

Ist dir aufgefallen, dass im Absatz über das Gebet vor dem Wort „Gottesdienst“ drei Punkte stehen? Ich bin überzeugt, dass hier irgendein schändliches Wort gestanden hat. Sogar die Redakteure haben es für unmöglich gehalten, dieses zu drucken. Der Geist, der seine Feder geführt hat, hat all seine Aggression in erster Linie auf den Gottesdienst und das Jesusgebet geschüttet. Mach dir das bewusst! Ein gefallener Mensch beginnt, wenn er aufrichtig und richtig betet, mit dem Schöpfer der Welt ein Zwiegespräch und empfängt dadurch großes Erbarmen. Ihm wird aber auch Kraft geschenkt, um den mächtigen Geist dieser Welt, der sich ausgibt, Gott ebenbürtig zu sein, zu vertreiben. Wie sollte nun dieser (Geist) diese Erniedrigung hinnehmen? Deshalb auch ergießt er seinen Zorn und seinen Hass auf das Gebet und den Gottesdienst. Mögen deshalb alle Menschen die Bedeutung und Kraft des Gebets wie auch das Erbarmen Gottes uns Gefallenen gegenüber begreifen! Der unglückliche Alexander hat mit seinen Worten über das Gebet gezeigt, dass er niemals richtig gebetet hat, folglich also auch nie an Gott geglaubt hat. Er sagt sich auch nicht von Gott und vom Christentum los, sondern nur von jener Vorstellung von Religion und Gott, die er hatte.

So oberflächlich sein Glaube war, so oberflächlich und kleinlich sind auch die Gründe für seine Zweifel und seinen Abfall. Sein Lossagen ist kein Ergebnis von aufrichtigen Zweifeln und ehrlicher Suche. Nein. Die Gründe, die er selbst für seine Lossagung angibt, sind zu nichtig. Man kann erkennen, dass er über einen auf das Praktische orientierten Verstand verfügt und ein Mensch von dieser Welt ist. Solange seine Position mehr oder weniger gefestigt war und er ein ordentliches Gehalt bezog, hat er sich als ein Gläubiger getarnt. Er hat den Bischöfen die Hand geküsst, die er eigentlich verachtete, und „hat junge Männer auf den Priesterdienst vorbereitet“. Als seine Position jedoch brüchig zu werden begann, hat er entschieden, sich eine gesicherte Stellung auf der anderen Seite der Front zu suchen. Solange es noch nicht zu spät ist, kann man dort seine offizielle Entsagung gut gebrauchen und ihn als einen der ihren bei sich aufnehmen. Und so hat er es schleunigst getan.

Als Jesus Christus, nachdem er die fünftausend gespeist hatte, über das Brot des Lebens zu sprechen begann, haben ihm viele den Rücken gekehrt, da sie seine Lehre nicht teilen konnten. Sie haben ehrlich gehandelt. Ihr an das Irdische verhaftete Denken konnte sich nicht zum Geist der Wahrheit emporheben. Judas allerdings hat Jesus Christus nicht verlassen, weil er den Kassenbeutel mit dem Geld trug und sich daraus für seine eigenen Bedürfnisse bediente. Er hatte auch auf mehr gehofft. So wie auch andere hatte er erwartet, dass der Messias auf einen Thron steigen und er dann zu den Privilegierten gehören wird. Als er jedoch erkannt hat, dass Jesus Christus nicht beabsichtigt, auf der Erde sein Reich zu errichten und dass Ihn vielmehr der Tod erwartet, hat er (Judas) auch dies für sich auszunutzen versucht. Er ging ins Lager der Feinde über, verriet Christus und bekam dafür dreißig Silberlinge. Denn Er wird ja sowieso sterben!

Nicht umsonst vergleicht man all jene, die sich in der heutigen Zeit von Christus lossagen, mit Judas. Man tut dies nicht, um die Abtrünnigen zu beleidigen (sie sind aufs Stärkste zu bemitleiden), sondern weil in beiden Fällen eine allgemeine seelische Gesinnung sichtbar ist: Sie sind ohne zu glauben, vielmehr nur um des eigenen Vorteils willen Christus gefolgt und haben Ihn dann auch zum eigenen Vorteil verkauft. Verrätern hat man aber nie und nirgends Vertrauen geschenkt und schon gar keine Achtung. „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen“.

Alexander war auch vor seiner Lossagung nicht aufrichtig, deshalb ist auch diese selbst nicht aufrichtig. Er ist ein psychologischer „Krüppel“, der sein Haus auf Sand gebaut hat. Wegen einer kleinen Versuchung ist es zusammengefallen, und er ist tief gestürzt.

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