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Das Böse ist nicht von Gott geschaffen. Das Böse hat kein Wesen. Es ist die Verkehrung der irdischen (im Bezug auf den Menschen und die Engel gesehen – moralischen) Ordnung des freien Willens des Menschen und der Engel. Wenn es die Freiheit nicht geben würde, dann gäbe es auch keine Möglichkeit, die moralische Ordnung, die voller Weisheit steckt und vollkommen ist, umzukehren. Dann würden sich die Engel und die Menschen wie Automaten den Gesetzen der physischen und moralischen Welt fügen, und das Böse gäbe es nicht. Doch ohne die Freiheit des Willens hätten die Menschen und Engeln auch nicht nach dem Abbild Gottes und Ihm zum Gleichnis geschaffen werden können. Das vollkommene Wesen ist nicht denkbar ohne die Freiheit des Willens. (Übrigens sind alle atheistischen Lehren gezwungen, die Freiheit des Willens zu leugnen. Sie tun dies auch in der Theorie, doch in der Praxis lassen sie diese heimlich gelten, denn andernfalls müssten sie mit Erschrecken zugeben, dass der Mensch ein nichtiges Rädchen einer riesigen Maschine ist, die nichts vom Menschen weiß und nichts von ihm wissen will, die ihn erbarmungslos verstümmelt oder zerstört, wenn die Gesetze dieser Maschine dazu führen).
Die vernunftbegabten Wesen, die sich selbst als selbständige Persönlichkeiten, als Ich, als neue, eigenständige Quellen von Licht (wie Glühwürmchen) und Zentren erkannt haben und für die die ganze Welt (im n-fachen Radius) nur ein Objekt, ein Objekt der Erkenntnis und des Wirkens - wobei auch Gott, der Herr in gewisser Weise ein Objekt sein kann – ist, haben vor dem Sündenfall ihre Größe in einem überhöhten Maße empfunden. Über sie ist gesagt: Ihr alle seid Götter und Söhne des Höchsten. Sie haben das Böse nicht aus Erfahrung gekannt und deshalb das Gute, das sie nutzten, nicht wirklich schätzen können. Der Wunsch, so wie Gott zu sein und zu wissen, was Gut und Böse ist, hat zum Sturz der Engel und der Menschen geführt. Damit beginnt die Geschichte der Menschheit. Ihr Sinn ist es, den Menschen zum guten Willen und zur Liebe zu Gott und Mensch zu erziehen, ohne seine Freiheit einzuschränken. Es geht darum, ihn in die Würde eines Sohnes Gottes zu heben. Das ist die schwierigste Aufgabe, die für Menschen in keiner Weise zu lösen ist und die auch von Gott größte Opfer abverlangte: die Menschwerdung, den Tod am Kreuz und die Auferstehung von Gott selbst.
Ein Mensch voller Stolz kann nicht zum Heil gelangen. Denn wenn er stolz ist, dann kann er auch im Paradies erneut von Gott abfallen und zwar endgültig wie die Dämonen.
Deshalb gibt der Herr dem Menschen im Verlaufe des gesamten irdischen Lebens zu verstehen, dass er ohne Gott nichts ist, nur der Knecht seiner Leidenschaften und der Sklave des Teufels. Das ist der Grund, warum der Herr dem Menschen vor seinem Tod nicht erlaubt, das Unkraut zu jäten, um den Weizen nicht zu beschädigen. Es ist nämlich so, dass sich ein Mensch ohne Schwächen, der nur auf tadellose Züge verweisen kann, mit voller Garantie im Stolz erheben würde. Wenn wir jetzt bereits mit kleinen Tugenden dazu neigen, uns stolz zu zeigen, was wäre dann, wenn sich für uns bereits hier die Herrlichkeit der vergöttlichten Seele auftun würde? Sogar der Apostel Paulus bedurfte der „negativen“ Hilfe durch einen Engel des Satans, der Scheußlichkeiten angerichtet hat, damit er, Paulus, sich nicht überhebt. Was sollen wir erst von uns sagen!
So wie der Herr sich bemüht, uns zum Heil zu geleiten, tut dies auch der Teufel auf seine Weise. Er „begleitet“ uns nur eben ins Verderben. Der Teufel lässt den Menschen glauben, dass er scheinbar über sich gesiegt hat, und führt ihn so in einen Zustand der Selbstzufriedenheit und des Stolzes. Er lässt ihn bei der Bewältigung der Naturkräfte erfolgreich sein und flößt ihm den Gedanken ein: „Durch das Wissen (die Wissenschaft) werdet ihr die Natur besiegen, ihr werdet unsterblich und wie Götter sein. Ihr könnt auch jetzt bereits stolz sein auf das, was ihr bisher erreicht habt“.
Die Gegensätzlichkeit dieser zwei Richtungen ist eindeutig. Sehr offensichtlich lässt sich die Fürsorge Gottes um das Heil des Menschen erkennen. Ebenso aber auch lassen sich die Anstrengungen des Teufels aufzeigen, der sich bemüht, sogar die ins Verderben zu stürzen, die alle Kräfte für das Einzige, was nötig ist, also für das Reich Gottes aufbringen. Aus der Sphäre der Theorie geht dies direkt ins Leben über. Der Mensch befindet sich in einem ununterbrochenen Kampf mit dem Bösen und dem Teufel. Er ist immerwährend dessen Einflößungen ausgesetzt und stürzt deshalb auch immer wieder. Doch er kann auch immer wieder aufstehen. In diesem Kampf erkennt der Mensch seine Hilflosigkeit und die Feindschaft des Teufels, aber auch die Hilfe Gottes und Seine Liebe zu ihm. Er begreift den Wert von Gut und Böse und wählt bereits mit voller Bewusstheit das Gute. So wird er in seiner Überzeugung gefestigt, das Gute und dessen Quelle, Gott, vorzuziehen und lehnt das Böse und den Teufel ab. Auch wenn er stürzt und manchmal das Böse tut, so erkennt er es doch als das Böse und als Sünde. Er geht mit sich ins Gericht, tut Buße und bittet Gott um Vergebung. Auf diese Weise bestärkt er sich noch weiter darin, das Gute und Gott vorzuziehen, wenn auch über den Umweg des Bösen.
Dieses Thema ist ein weites Feld. Du hast richtig bemerkt, dass ein Mensch als Gegenpol zum Stolz zur Demut gelangen muss. Diesen Gedanken habe auch ich hier formuliert, nur in einer anderen Weise. Vielleicht war es für dich interessant zu lesen. Wenn aber nicht, dann wird es für dich später vielleicht noch einmal von Nutzen sein. Man kann alles überzeugender und schöner darstellen und auf die Heiligen Väter verweisen. Hier ist nur eine Skizze jener Ideen, zu denen ich in den letzten Jahren gelangt bin.
Verzeih mir.