Die Entschlafung unserer Herrin, der Allheiligen Gottesgebärerin

25. August 2022

Ikone der Entschlafung der Allhl. Gottesgebärerin

Ikone der Entschlafung der Allhl. Gottesgebärerin

Im August feiert die Kirche das Ende des irdischen Lebens Mariens, sie feiert ihren Tod, den wir mit dem Wort Entschlafung bezeichnen: mit einem Wort, in dem sich Schlaf mit Seligkeit, Frieden, Ruhe und Freude verbindet.

Die Kirche gedenkt des Todes der Frau, deren Sohn den Tod besiegt hat, der von den Toten auferstanden ist und uns die endgültige Auferstehung und den Sieg des unsterblichen Lebens verheißen hat. Die Ikone, der am Tag der Entschlafung der Platz in der Mitte der Kirche gebührt und die so gleichsam das Zentrum der Feier bildet, gibt vielleicht am besten Wesen und Sinn dieses Todes wieder. Auf dieser Ikone wird die Gottesgebärerin auf dem Sterbelager dargestellt. Sie ist tot. Um sie herum stehen die Apostel Christi, und über ihr sieht man Christus. Er hält auf dem Arm seine Mutter, die nun lebendig und auf ewig mit ihm vereint ist. Auf diese Weise sehen wir den Tod und gleichzeitig das, was sich in diesem Tod bereits vollzogen hat: keine Trennung, sondern Vereinigung, keine Trauer, sondern Freude und endlich, in letzter Tiefe, keinen Tod, sondern Leben. “Die du nach der Geburt jungfräulich und nach Tode lebendig bist”, singt die Kirche auf die Ikone blickend, und fügt hinzu: “Im Gebären hast du die Jungfräulichkeit bewahrt, im Entschlafen die Welt nicht verlassen…”

Es kommen uns die Worte eines der tiefsten und schönsten Mariengebete in den Sinn. Die Worte des Gebetes, in dem Maria “Glanz des geheimnisvollen Tages” genannt wird. “Freue dich, Glanz des geheimnisvollen Tages!” das Licht dieses Glanzes ergießt sich gerade aus dem Fest der Entschlafung - schauend diesen Tod und stehend an diesem Sterbelager verstehen wir gleichsam, dass es keinen Tod mehr gibt, dass selbst das sterben eines Menschen zur Tat des Lebens geworden ist, zum Eintritt in ein größeres Leben, in ein Leben ohne Ende. Christus empfängt an der lichten Tür des Sterbens die Frau, die sich ihm ganz hingegeben und ihn bis zum Ende geliebt hat, - und der Tod wird zur freudigen Begegnung, das Leben feiert den Sieg und über allem erstrahlen Freude und Liebe. Maria, Jungfrau und Mutter, ist ein von uns.

Die Kirche betrachtete jahrhundertelang den Tod der Frau, die die Mutter Jesu war, die unserem Erlöser und Herrn das Leben gab, die sich Ihm ganz - bis zu ihrem Stehen unter dem Kreuz - hingegeben hat. Die Kirche drang tiefer in dieses Geheimnis ein und wuchs in diesen Tod hinein. Und in dieser Betrachtung hat sie keine Angst, kein Entsetzen, kein Ende erblickt, gefunden und wahrgenommen, sondern die strahlende, wahrhaft österliche Freude. “Zu deiner unsterblichen Entschlafung haben wir uns versammelt”, singt die Kirche an diesem Fest im ersten Lied und drückt schon in den Anfangsworten das Wesen dieser Freude aus. «Unsterbliche Entschlafung, Unsterblicher Tod».

Was bedeutet diese widersprüchliche, auf den ersten Blick absurde Wortverbindung? Im Fest der Entschlafung öffnet sich das gesamte freudige Geheimnis dieses Todes und es wird zu unserer Freude… Wenn nämlich der Tod Entsetzen und Leid der Trennung, Abstieg in furchtbare Einsamkeit und Dunkelheit bedeutet, gibt es das alles im Tod der Jungfrau Maria nicht. Denn ihr Tod ist - so wie ihr ganzes Leben - nur Begegnung, Liebe, ein Zuschreiten auf das unvergängliche, nie untergehende Licht der Ewigkeit und ein Eingehen in dieses Licht. «Die vollendete Liebe treibt die Furcht aus», sagt der Liebesapostel Johannes der Theologe (1 Joh 4,18). Und deshalb gibt es in der unsterblichen Entschlafung der Jungfrau Maria keine Angst. Der Tod wird von innen her besiegt, er wird von allem befreit, was uns mit Entsetzen und Verzweiflung erfüllt. Man kann sagen: selbst der Tod wird zum Leben und zum Sieg des Lebens. Der Tod wird zum «Glanz des geheimnisvollen Tages». Und deshalb gibt es an diesem Fest keine Traurigkeit, kein Schluchzen am Grab, kein Leid: nur Licht, nur Freude. Als würde sich schon für jeden von uns, der dieser unvermeidlichen Schwelle sich nähert, eine Tür öffnen, und als würden aus ihr die Strahlen des künftigen Sieges, des künftigen Himmelreichs hereinfallen und leuchten.

An diesen Augusttagen, wenn die sichtbare Welt um uns herum den Höhepunkt an Schönheit erreicht und selbst zum Lob, zur Hoffnung und zum Zeichen der anderen Welt wird, erklingen im einzigartigen Festlicht die Worte des Gebetes: “Die in Fürbitten unermüdliche Gottesgebärerin und in der Fürsprache unerschütterliche Hoffnung haben Grab und Tod nicht überwältigt; denn als die Mutter des Lebens hat sie zum Leben hinüber geführt Der, welcher einst ihren immerwährend jungfräulichen Schoß zur Wohnung genommen hatte.” Der Tod hört auf, Tod zu sein. Der Tod leuchtet vor Ewigkeit und Unsterblichkeit. Der Tod ist keine Trennung, sondern eine Vereinigung. Keine Trauer, sondern Freude. Keine Niederlage, sondern ein Sieg. Das ist es, was wir am Tag der Entschlafung der Allreinen Mutter feiern, ergriffen und bestärkt, im voraus verspürend den bereits aufstrahlenden Glanz des geheimnisvollen Tages.

Predigt von Erzpriester Alexander Schmemann

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