56. Homilie aus dem “Kommentar zum Matthäusevangelium”

19. August 2022

Berg Tabor

Berg Tabor - Berg der Verklärung Christi

Hl. Johannes Chrysostomos

… von Neid und Eitelkeit waren alle diese heiligen Männer stets frei. Er nahm also die hervorragendsten von ihnen und führte sie auf einen hohen Berg, wo sie allein waren.

Warum nimmt der Herr nur diese drei mit? Weil sie sich vor den anderen besonders auszeichneten: Petrus dadurch, dass er den Herrn überaus liebte; Johannes, weil er vom Herrn überaus geliebt wurde; Jakobus wegen der Antwort, die er einmal zusammen mit seinem Bruder gab: "Wir können den Kelch trinken" ; freilich nicht bloß durch diese Antwort, Weshalb führt er sie aber nicht sofort hinauf? …Denn wenn es auch mehr eine körperliche Erscheinung war, so mußten sie doch sehr großes Verlangen haben, sie zu sehen. Warum sagt er es ihnen aber vorher? Damit sie empfänglicher werden für das Schauspiel, das er im voraus angekündigt hatte, und im Verlaufe der Tage ein immer lebhafteres Verlangen danach empfänden, so dass ihr Geist dabei wachsam und achtsam wäre. Warum aber läßt er Moses und Elias auftreten? Dafür können viele Gründe angeführt werden. Zuerst: Da manche Leute ihn für Elias, andere für Jeremias, wieder andere für einen der alten Propheten halten, so läßt er die vornehmsten erscheinen, damit man auch hierdurch den Unterschied zwischen den Knechten und dem Herrn erkenne und einsehe, wie berechtigt die Lobpreisung Petri war, als er bekannte, er sei der Sohn Gottes. Dazu kommt ein anderer Grund. Immer wieder klagten die Juden ihn an, dass er das Gesetz übertrete, und hielten ihn für einen Lästerer, der sich eine Herrlichkeit anmaßt, die ihm gar nicht zusteht, nämlich die Herrlichkeit des Vaters, und sagten: "Dieser Mensch ist nicht von Gott, da er den Sabbat nicht hält" , und: "Nicht um eines guten Werkes willen steinigen sie Dich, sondern wegen Gotteslästerung, und weil Du, wiewohl Du ein Mensch bist, Dich selber zu Gott machst" . Er will also beweisen, dass beide Beschuldigungen nur von der Eifersucht eingegeben, dass er in beiden Punkten unschuldig sei: dass er durch seine Handlungsweise kein Gesetz übertreten habe und dass er sich, wenn er sagte, er sei dem Vater gleich, sich durchaus nicht eine Herrlichkeit anmaßt, die ihm nicht zukommt. Deshalb läßt er die Männer auftreten, welche für das eine und das andere Kronzeugen waren. Moses hatte ja das Gesetz gegeben; die Juden mußten also schließen: Hätte er so gehandelt wie sie behaupteten, so hätte es Moses nicht ruhig hinnehmen können; hätte er das Gesetz übertreten und sich damit in Gegensatz zu dem Gesetzgeber gestellt, so hätte ihnen dieser keine Ehrenbezeugung geleistet. Elias hatte für die Ehre Gottes geeifert, er wäre nicht seiner Einladung gefolgt und zu ihm gekommen, wenn er ein Widersacher Gottes gewesen wäre, wenn er sich selbst Gott genannt, sich dem Vater gleichgestellt hätte, ohne wirklich zu sein, was er vorgab, ohne mit vollem Rechte so zu handeln.

Zu diesen Gründen läßt sich noch ein weiterer hinzufügen. Und was für einer? Die Apostel sollten lernen, dass er Gewalt über Leben und Tod hat, und dass ihm alles im Himmel und auf Erden untersteht. Deshalb läßt er zwei Männer auftreten, von denen der eine gestorben war, während der andere den Tod noch nicht erfahren hatte. Den fünften Grund führt der Evangelist selbst an. Welcher ist das? Der Herr wollte zeigen , zu welcher Herrlichkeit der Kreuzestod führt, um Petrus und den anderen, die sich vor dem Leiden entsetzten, Trost zuzusprechen und Mut einzuflößen. Wir lesen nämlich, dass die beiden nicht schweigend erschienen, sondern „die Herrlichkeit besprachen, welche er in Jerusalem vollenden sollte“, d.h. sein Leiden und seinen Kreuzestod; denn so bezeichnen sie dasselbe jedesmal. Aber nicht allein durch die Worte dieser Männer, sondern auch durch ihr Tugendbeispiel suchte er die Apostel zur Tugend zu ermuntern, die er auch von ihnen erwartete. Denn nach den Worten: „Wenn mir jemand nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und komme mir nach“ , läßt er diejenigen erscheinen, welche tausendmal um des Gesetzes Gottes willen und für das ihnen anvertraute Volk in den Tod gegangen waren…

Noch aus einem anderen Grunde läßt Christus die beiden erscheinen. Er wollte nämlich, dass seine Jünger diesen Männern auch in der Führung des Volkes, in der Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit nacheifern; sie sollten sanftmütig wie Moses, voll Eifer wie Elias, und fürsorglich sein wie beide. Der eine ertrug ja eine dreijährige Hungersnot wegen des Judenvolkes, der andere sagte: „Entweder vergib ihnen diese Schuld, oder tust Du das nicht, so tilge mich aus dem Buche, das Du geschrieben“. An all das wollte der Herr die Apostel durch diese Erscheinung erinnern. Sie sollten noch weiter in der Tugendhaftigkeit gehen als jene beiden; deshalb ließ er sie in der Herrlichkeit erscheinen… Von den Jüngern wird aber dennoch mehr verlangt als von ihm.„Denn wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen“5 . Sie sollten ja nicht nach Ägypten gehen, sondern in die ganze Welt, die schlimmer war als Ägypten. Nicht etwa mit einem Pharao sollten sie reden, sondern mit dem Teufel kämpfen, mit dem Fürsten aller Bosheit. Ihre Aufgabe bestand darin, diesen in Fesseln zu schlagen und ihm seine ganze Waffenrüstung zu nehmen. Und zwar hatten sie dabei nicht das Meer mit dem Stabe Jesses zu überwinden, sondern einen Abgrund der Gottlosigkeit, dessen Wogen noch weit fürchterlicher tosten. Erwäge also, durch wie viele Dinge die Menschen damals in Furcht versetzt wurden: durch Tod, Armut, Verachtung, ungezählte Leiden; vor diesen Dingen bebten sie mehr als seinerzeit die Juden vor dem Meere. Nichtsdestoweniger brachte der Herr sie dazu, alles dieses zu wagen und mit der größten Sicherheit, als wäre es Festland, darüber hinwegzuschreiten. Und um sie dafür zu stärken, läßt er Männer auftreten, die im Alten Bunde geglänzt hatten.

Ikone der Verklärung unseres Herrn Jesu Christi

Ikone der Verklärung unseres Herrn Jesu Christi

Was macht nun der feurige Petrus?

Seit er gehört hatte, dass Christus nach Jerusalem gehen müsse, um dort zu leiden, fürchtete und bangte er trotz der Zurechtweisung noch immer für ihn, wenn er auch nicht mehr wagte, vor ihn hinzutreten und zu sagen: „Das wird Dir nimmer geschehen.“ Mit anderen Worten aber spielte er infolge dieser Furcht wieder auf dasselbe an. Der Berg, die große Zurückgezogenheit und die Einsamkeit brachte ihn auf den Gedanken, hier wären sie ganz sicher. Dazu kam, noch der Wunsch, der Herr möge nicht mehr nach Jerusalem hinabsteigen; er möchte gern, dass er für immer hier bleibe; deshalb spricht er auch vom Hütten bauen. Würden sie gebaut werden, so rechnete er, dann gehen wir nicht mehr nach Jerusalem; wenn wir nicht dorthin gehen, braucht er auch nicht zu sterben, denn nur dort sollen die Schriftgelehrten an ihn Hand anlegen. So wagte er aber nicht zu reden, sondern sagte in der Absicht, seinen Zweck zu erreichen: „Hier ist gut sein“, wo auch Moses und Elias sind; Elias, der auf dem Berge Feuer vom Himmel fallen ließ, und Moses, der in die Wolke einging und mit Gott Zwiesprache hielt; und kein Mensch wird auch nur erfahren, wo sie sind.

Siehst du daraus, wie innig er Christus liebte? Du darfst jetzt nicht darauf achten, dass die Art und Weise der Bitte ungeschickt war, sondern bloß wie feurig er ist, wie er für Christus glüht. Dass er nämlich nicht aus Besorgnis um sich selbst so redet, kann man aus den Worten entnehmen, die er sprach, als ihm der Herr seinen einstigen Tod und seine Ergreifung voraussagte: "Ich werde mein Leben für dich opfern; und wenn ich auch mit Dir sterben müßte, nimmer werde ich dich verleugnen". Sieh, wie er ferner auch mitten in der Gefahr nicht an sich selber denkt. Obschon eine große Schar sie umzingelte, ergriff er keineswegs die Flucht, zog vielmehr sein Schwert und hieb dem Knechte des Hohenpriesters das Ohr ab. Er dachte also nicht an sich, sondern bangte nur für den Meister. Weil aber der Herr mit solcher Bestimmtheit gesprochen hatte, nimmt er sich zusammen und sagt, um nicht wieder getadelt zu werden:

Was sagst du da, o Petrus? Hast du Jesus nicht erst kurz vorher weit über seine Diener erhoben? Und nun stellst du ihn wieder auf dieselbe Stufe wie sie? Daraus kannst du ermessen, wie unvollkommen die Jünger vor dem Kreuzestod noch waren. Der Vater hatte ihm zwar eine Offenbarung gegeben, aber Petrus dachte nicht fortwährend an sie; er ließ sich durch die Angst, welche einerseits von der eben erwähnten Furcht, und andererseits von dem ungewöhnlichen Schauspiele herrührte, außer Fassung bringen.

Was antwortete nun der Herr? Christus selbst spricht kein Wort, auch Moses und Elias nicht. Der Allerhöchste und Glaubwürdigste, der Vater selbst, läßt seine Stimme aus der Wolke erschallen. Warum aus der Wolke? So zeigt sich Gott immer. "Wolken und Dunkel sind rings um ihn" ; "Er sitzt auf einer leichten Wolke" "Der Wolken macht zu seinem Wagen":"Eine Wolke nahm ihn hinweg vor ihren Augen" "Auf den Wolken kam er wie eines Menschen Sohn". Aus der Wolke erschallt also die Stimme, damit alle glauben, dass sie von Gott kommt. Die Wolke war licht.

Eine finstere Wolke läßt Gott erscheinen, was er als eine Drohung ausspricht, wie z.B. auf dem Sinai:"Moses trat nun in die Wolke", heißt es, "und in das Dunkel, und wie Dampf stieg der Rauch auf", und der Prophet spricht, wo er von Gottes Drohung redet: Finsteres Wasser im Gewölke der Luft". Hier wollte jedoch Gott nicht Schrecken verbreiten, sondern belehren; darum ist die Wolke licht.

Petrus hatte gesagt lasset uns drei Hütten bauen." Er aber zeigt ihnen dafür das Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht ist. Deshalb ist hier ein unaussprechliches Licht und die Stimme, während dort Rauch und Qualm erscheinen. Ferner sollte es klar sein, dass nicht von irgendeinem der drei Männer, sondern von Christus allein die Rede war, darum traten jene zwei zur Seite, als die Stimme erscholl. Hätten die Worte einfach irgendeinem von ihnen gegolten, so hätten sich die beiden anderen nicht entfernt, um Christus allein zu lassen. Weshalb umhüllte nun aber die Wolke alle drei zugleich und nicht Christus allein? Weil man sonst hätte meinen können, dass er es sei, der da spricht. Darin liegt auch der Grund, weshalb der Evangelist gerade diesen Umstand besonders betont und sagt, dass die Stimme aus der Wolke kam, d.h. von Gott. Was sagt nun die Stimme? "Dieser ist mein geliebter Sohn." Wenn er also geliebt ist, so kannst du außer Furcht sein, o Petrus. Längst schon hättest du übrigens seine Macht kennen und von seiner Auferstehung überzeugt sein sollen. Da du aber im unklaren bist, so fasse wenigstens jetzt nach den Worten des Vaters Mut. Wenn nämlich Gott wirklich die Macht besitzt, wie es ja auch tatsächlich der Fall ist, so ist es doch offenbar, dass auch der Sohn sie in gleicher Weise besitzt. Fürchte also die Gefahren nicht. Hast du das aber noch nicht begriffen, so denke wenigstens daran, dass er der Sohn ist und geliebt wird. Denn es heißt: "Dieser ist mein geliebter Sohn." Wenn er aber geliebt wird, so hast du keine Ursache zu bangen, denn niemand gibt den preis, den er liebt. Sei also unverzagt; denn, wenn du ihn auch tausendmal liebst, so wie der Vater liebst du ihn doch nicht. "An dem ich mein Wohlgefallen habe." Nicht bloß, weil er ihn gezeugt hat, liebt ihn der Vater, sondern auch, weil er ihm in allen Stücken gleicht und derselben Gesinnung ist. Sonach ist der Grund zur Liebe zwei, ja dreifach: nämlich weil er der Sohn ist, weil er der geliebte ist, weil der Vater an ihm sein Wohlgefallen hat. Was heißt aber das: "An dem ich mein Wohlgefallen habe"? Das will besagen, In dem ich meine Ruhe, in dem ich meine Lust finde deshalb, weil er in jeder Beziehung bis ins Kleinste ihm gleich ist, in ihm und dem Vater nur ein Wille ist, weil er in allem eins ist mit dem Erzeuger und doch dabei der Sohn bleibt. Wie kam es, dass sie bei jenen Worten zu Boden fielen? Früher einmal, am Jordan, war ja auch eine solche Stimme erschallt, eine Menge Volk war zugegen und keinem war etwas Ähnliches widerfahren; und als später nach ihrer Aussage ein Donner entstanden war, nicht einmal da war es ihnen so ergangen. Wie kam es also, dass sie auf dem Berge niederfielen? Weil der Ort einsam und hoch gelegen war, so dass große Ruhe herrschte, dazu kam noch die Verklärung, die sie mit Schauer erfüllte, das überaus helle Licht und die umhüllende Wolke: all das versetzte sie in große Furcht. Von allen Seiten erfüllte sie Staunen und ehrfurchtsvolle Scheu, sie stürzten nieder aus Furcht und Anbetung zugleich. Damit jedoch durch eine zu lange, anhaltende Furcht ihre spätere Erinnerung nicht beeinträchtigt würde, befreite sie Christus alsbald von ihrer Angst: sie sehen ihn allein und er erteilt ihnen den Befehl, mit niemanden über den Vorfall zu reden , bis er von den Toten auferstanden wäre.

…Niemand ist somit glücklicher als die Apostel, und namentlich jene drei, welche gewürdigt worden sind, mit dem Herrn in der Wolke wie unter einem Dache zu wohnen. Aber wenn wir nur wollen, so können auch wir Christus sehen, nicht bloß so wie die Apostel damals auf dem Berge, sondern noch viel strahlender; denn später , wird er nicht mehr bloß so erscheinen. Hier offenbarte er aus Rücksicht auf die Jünger nur soviel von seinem Glanze, als sie ertragen konnten; am Ende der Zeiten aber wird er wiederkommen in der ganzen Herrlichkeit des Vaters, nicht bloß mit Moses und Elias, sondern mit dem unübersehbaren Heere der Engel, mit den Erzengeln und Cherubim, mit den endlosen Scharen des Himmels; und dazu wird nicht bloß eine Wolke über seinem Haupte erscheinen, sondern der Himmel selbst wird ihn umhüllen.

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