Hl. Athanasios der Große: Über die Menschwerdung des Wortes Gottes (2)

7. Dezember 2022

Hl. Athanasios der Große

DIE ERSCHAFFUNG DER WELT UND DIE VORSEHUNG GOTTES

Wir haben mit Gottes Gnade auch schon über das göttliche Wort des Vaters einige wenige Andeutungen gemacht und über seine allumfassende Vorsehung und Macht gesprochen und gezeigt, dass der gütige Vater durch ihn alles anordnet, alles von ihm Bewegung und in ihm Leben erhält. Nun wohlan, Du, Glücklicher, und wahrer Christusjünger, im Folgenden wollen wir, dem frommen Glauben treu, auch die Fragen von der Menschwerdung des Wortes Gottes behandeln und uns klar werden über seine göttliche Erscheinung unter uns, auf welche die Juden lästern, die Heiden höhnen, die wir aber anbeten. So soll dann die äußere Erniedrigung des Wortes Gottes Dir geradezu Anlass geben zu einer noch größeren und höheren Ehrfurcht gegenüber ihm. Denn je mehr er den Ungläubigen zum Gespött wurde, desto überzeugender führt er den Beweis für seine Gottheit, weil er das als möglich offenbart, was Menschen unmöglich und darum unbegreiflich finden, weil er in seiner Güte das ehrenhaft macht, was Menschen als anstößig verspotten, weil er in seiner Macht das als göttlich erweist, was die Menschen in ihrer Weisheit als menschliche Schwächen verhöhnen, insofern er den Götzenwahn mit seiner vermeintlichen Erniedrigung am Kreuze zerstört und die Spötter und Ungläubigen, ohne dass sie es bemerken, bekehrt, sodass sie seine Gottheit und Macht anerkennen. Zur Erläuterung dessen ist es angezeigt, an das bereits Gesagte zu erinnern, damit du auch den Grund der in einem Leib erfolgten Erscheinung des so großen und erhabenen Wortes des Vaters einsehen kannst und nicht etwa meinst, der Heiland hätte dem Naturgesetz zufolge einen Leib getragen; vielmehr sollst du erkennen, dass er, obschon unkörperlich von Natur und Wort (Geist), gleichwohl gehorsam der Menschenfreundlichkeit und Güte seines Vaters um unseres Heiles willen im Menschenleib uns erschienen ist.

Es empfiehlt sich aber, bei einer diesbezüglichen Erörterung zuerst von der Schöpfung der Welt zu reden und von ihrem schöpferischen Gott, um so auch ihre Erneuerung durch das Wort, das sie im Anfange geschaffen hat, auf rechte Weise würdigen zu können. Denn man wird keinen Widerspruch darin finden, wenn der Vater die Erlösung der Welt in Dem bewerkstelligt hat, durch Den er sie auch erschuf.

Die Gründung der Welt und die Erschaffung aller Dinge haben viele verschieden aufgefaßt, und ein jeder hat nach seinem Kopf eine Erklärung gegeben. Die einen behaupten, alles sei von selbst und durch Zufall entstanden, so die Epikureer, die zu ihrem eigenen Verderben die Vorsehung in der Welt weg schwatzen - in direktem Widerspruch mit der hellen, augenscheinlichen Wahrheit …

Gott kann überhaupt nicht Schöpfer genannt werden, wenn er nicht auch den Stoff schafft, aus dem das Geschaffene geworden ist. Die Häretiker träumen sich freilich einen anderen Weltschöpfer als den Vater unseres Herrn Jesu Christi und verraten in ihren Worten eine arge Verblendung. Wenn der Herr zu den Juden sagt: „Habt ihr nicht gelesen, dass Gott im Anfange sie als Mann und Weib schuf und sprach: Deshalb wird der Mann Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen, und sie werden ein Fleisch sein?“, und hernach mit einem Hinweis auf den Schöpfer: „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“, warum reden sie dann so, als hätte die Schöpfung mit dem Vater nichts zu tun? Und wenn Johannes zusammenfassend sagt: „Alles ist durch Ihn geworden, und ohne Ihn ward nichts“, wie könnte es dann neben dem Vater Christi einen anderen Schöpfer geben?

Die göttliche Lehre aber und der christliche Glaube verurteilen solch törichtes Gerede als Gottlosigkeit. Sie sagen uns, dass die Dinge nicht von selbst entstanden sind, da sie ja unter einer Vorsehung stehen, noch auch aus einem bereits vorhandenen Stoff, weil ja Gott nicht schwach, dass vielmehr Gott durch sein Wort alle Dinge aus dem reinen Nichts ins Dasein gerufen habe, wie es bei Moses heißt: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“, und im sehr nützlichen Buch vom Hirten: „Zuallererst glaube, dass nur einer Gott ist, der alles erschaffen und angeordnet und aus dem Nichts ins Dasein gerufen hat“. Dasselbe lehrt Paulus mit den Worten: „Im Glauben erkennen wir, dass die Welt durch das Wort Gottes geschaffen wurde, so dass also nicht das Sichtbare aus der Erscheinungswelt hervorgegangen ist“. Denn Gott ist gut, oder vielmehr er ist die Quelle der Güte. Den Guten aber kann keinerlei Neid befallen, weshalb er niemand das Dasein vergönnte und alles aus dem Nichts geschaffen hat durch sein eigenes Wort, unseren Herrn Jesus Christus. Unter den irdischen Kreaturen aber erregte vor allen das Menschengeschlecht sein Mitleid, und weil er sah, dass es nach dem Gesetz seines eigenen Werdens außerstande wäre, immerdar fortzubestehen, gewährte er ihnen einen Vorzug und schuf die Menschen nicht einfach wie die ganze vernunftlose Lebewelt auf der Erde, sondern er gestaltete sie nach seinem Bilde und teilte ihnen von der Kraft seines eigenen Geistes mit, damit sie gleichsam einen Schatten vom Wort Gottes hätten und so, vernünftig geworden, in seligem Zustand verbleiben könnten - im Besitze des wahren und wahrhaft heiligen Lebens im Paradies. Da er ferner die doppelte Wahlfreiheit der Menschen kannte, so traf er Vorsorge und suchte ihnen durch Gesetz und Ort die ihnen gewährte Gnade zu sichern: Er führte sie in sein Paradies ein und gab ihnen ein Gebot, damit sie, im Falle, dass sie die Gnade bewahrten und gut blieben, zu der Verheißung ihrer himmlischen Unsterblichkeit hin auch im Paradies ein Leben ohne Kummer, Schmerzen und Sorgen hätten. Falls sie aber das Gebot überträten und nach ihrer Abkehr von Gott schlecht würden, sollten sie zur Einsicht kommen, dass sie der natürlichen Verwesung im Tode unterworfen wären und nicht mehr im Paradiese leben, sondern nunmehr aus ihm verbannt und in Tod und Verwesung verbleiben würden. Dies verkündet ganz offen auch die göttliche Schrift, die in der Person Gottes also redet: „Von allen Bäumen des Gartens magst du essen, aber vom Baume der Erkenntnis von Gut und Böse sollt ihr nicht essen. Am Tage, da ihr davon esset, sollt ihr des Todes sterben“. „Ihr werdet des Todes sterben“, was soll das anderes bedeuten, als nicht nur sterben, sondern auch in der Verwesung des Todes verbleiben?

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